Belgien, Politik

Sechste Deutsch-Belgische Konferenz: Gemeinsam gegen Klimawandel und für die Energiewende

Von Michael Stabenow

Tagtäglich neue Schreckensbilder von den Kriegsschauplätzen in der Ukraine. Rasant gestiegene Preise für Strom und Gas, aber auch an den Zapfsäulen. Der Angriff Russlands gegen das Nachbarland hat zu einer fieberhaften Suche nach gemeinsamen Antworten auf die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen geführt. Einen Hoffnungsschimmer scheint es immerhin zu geben: Die steigenden Preise könnten die Hinwendung zu klimaverträglichen Energiequellen beflügeln.

In dieser Einschätzung bestand jetzt auf der sechsten „Deutsch-Belgischen Konferenz“ in Berlin Einigkeit zwischen den Teilnehmern aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Vertretern der Zivilgesellschaft. Hauptthema der Konferenz waren die Eindämmung des Klimawandels und die Energiewende.

Hoffnungsträger Grüner Wasserstoff

Gemeinsam wollen wir uns dafür einsetzen, dass die Bewältigung der Energiekrise mit einer deutlichen Beschleunigung der Energiewende in Belgien und Deutschland sowie in Europa einhergeht“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Schon jetzt sei Belgien mit seinem Terminal für Flüssiggas (LNG) im Hafen Zeebrugge zweitwichtigster Gaslieferant Deutschlands. Bei der Offshore-Windkraft liege Deutschland derzeit international an dritter, Belgien an sechster Stelle. Langfristig setzen beide Seiten große Hoffnungen auf die Erschließung von nicht aus fossilen, sondern erneuerbaren Energiequellen gewonnenen sogenanntem Grünen Wasserstoff.

Da traf es sich gut, dass die belgische Regierung am Tag der Konferenz in Berlin ehrgeizige Pläne zur Förderung der Wasserstofftechnologie vorgelegt hat. 500 Millionen Euro will sie dafür in den kommenden sechs Jahren aufwenden. Ziel ist es, aus Ländern wie Oman, Namibia oder Ägypten, die geeignete klimatische Voraussetzungen bieten, aus erneuerbaren Energiequellen – nicht zuletzt Sonnen- und Windenergie – gewonnenen Wasserstoff per Schiff nach Belgien zu transportieren.

Belgien als Drehscheibe

Premierminister Alexander De Croo setzt darauf, dass Belgien so zur europäischen Drehscheibe für Wasserstoff werden kann. Die Belgier hoffen, die bestehende Infrastruktur für Gasleitungen auch für den Transport von Wasserstoff nutzen zu können. Er soll nicht als Energiequelle für Heizungen in Privathäusern oder zum Betanken von Autos dienen, sondern vielmehr beim Frachtverkehr auf der Straße und auf See oder in der Schwerindustrie zum Einsatz kommen.

Luc Arnouts, der im Hafen von Antwerpen und Zeebrugge für internationale Beziehungen zuständige Direktor, äußerte sich in Berlin zwar zuversichtlich zu den langfristigen Perspektiven des Grünen Wasserstoffs. Er gab aber zu bedenken, dass mit Lieferungen in größerem Umfang nicht vor 2027/28 zu rechnen sei.

Verantwortung gegenüber ärmeren Ländern

Deutlich wurde auf der Berliner Tagung, knapp drei Wochen vor Beginn der im ägyptischen Sharm-el-Sheich stattfindenden Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP 27), dass Belgien und Deutschland, aber auch die gesamte EU in einer besonderen Verantwortung stehen. Ziel ist es, wie 2015 in Paris vereinbart, die Aufheizung der Erdatmosphäre auf 1,5 Grad zu beschränken. So verwiesen mehrere Tagungsteilnehmer in Berlin auf Klagen weniger wohlhabender Staaten, wonach die Industrieländer sie in der aktuellen Energiekrise durch ihre Suche nach anderen Quellen als dem russischen Erdgas in eine prekäre Lage brächten.

Eine Frage der Glaubwürdigkeit

Jean Van Wetter, Direktor der belgischen Entwicklungshilfeagentur Enabel, das Pendant der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), berichtete über Gespräche mit dem senegalesischen Präsidenten Macky Sall und anderen Vertretern des westafrikanischen Landes. Dabei sei deutlich die Verstimmung darüber zum Ausdruck gekommen, dass es einerseits Bedenken gegen die Erschließung von Erdgasfeldern vor der Küste Senegals gebe, während andererseits die Europäer in der Energiekrise auf konventionelle Quellen, darunter Kohle, zurückgriffen. Es gehe gegenüber den ärmeren Ländern um Glaubwürdigkeit, sagte Van Wetter.

Ähnlich äußerte sich Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der Umweltorganisation Germanwatch, der von einem „Riesenproblem“ sprach. Die Industrieländer seien in der Pflicht gegenüber den afrikanischen Ländern, nicht in neokolonialistische Denkmuster zu verfallen. Es gelte, sie am Nutzen der Erschließung neuer Energiequellen wie Wasserstoff teilhaben zu lassen und so die einheimische Wirtschaft zu stärken. Auch Van Wetter sprach sich für „Technologietransfer“ aus.

Kira Vinke von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) warb ebenfalls dafür, die Länder Afrikas angemessen an der Erschließung erneuerbarer Energien zu beteiligen. Sie erinnerte daran, dass Industrieländer wie Deutschland und Belgien mit ihren Emissionen übermäßig zum Klimawandel beitrügen.

Plädoyers der Außenministerinnen Baerbock und Lahbib

Zu Beginn der Konferenz hatten die Außenministerinnen Deutschlands und Belgiens, Annalena Baerbock und Hadja Lahbib, auf die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern hingewiesen. Die Grünen-Politikerin bezeichnete die Klimakrise als „größte Sicherheitsgefahr dieses Jahrhunderts“. Lahbib hob die Bedeutung erneuerbarer Energiequellen und die Hoffnungen auf den Grünen Wasserstoff hervor. Baerbock bemühte ein Zitat des früheren belgischen Premier- und Außenministers Paul-Henri Spaak, um die Dringlichkeit des Handelns in der Klimakrise zu veranschaulichen: „Für verlorene Gelegenheiten in der Politik gibt es kein Fundbüro.“

Die Konferenz verdeutlichte auch die in Deutschland und Belgien, beides Bundesstaaten, unterschiedlichen Zuständigkeiten für die Energie- und Klimaschutzpolitik. So verwies der Sonderbeauftragte für Klima und Umwelt im belgischen Außenministerium, Luc Jacobs, auf die bestehenden Befugnisse von Bundesstaat und Regionen – wobei EU-Auflagen einen Rahmen für das politische Handeln bildeten.

In Deutschland liege dagegen, so Norbert Gorißen, stellvertretender Sonderbeauftragter für internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt, die Zuständigkeit vor allem auf Bundesebene, aber dort verteilt auf Außen-, Wirtschafts-, Entwicklungshilfe- und Umweltministerium. Er verwies auf die laufenden Bestrebungen, ein „Team Germany“ zu bilden und in der Klimaschutzpolitik mit einer Stimme zu sprechen.

 

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