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Oudenaarde – mehr als eine Stadt der Teppichweber

Grote Markt Oudenaarde
Oudenaarde: Grote Markt

Tuchhandel und die Wandteppichwebereien waren in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und zu Beginn des 17. Jahrhunderts für die wirtschaftliche Blüte der Stadt entscheidend. Bis zu 20 000 Teppichweber lebten in den Mauern der Stadt. Um die Herstellung von Wandteppichen zu kontrollieren, erließ Kaiser Karl V. 1544 ein 90 Artikel umfassendes Regelwerk. Das ist längst nur noch eine Fußnote der Geschichte. Oudenaarde ist aber auch eine Stadt des Bieres. Gleich zwei Brauereien, Roman und Liefmans, sind in der Stadt beheimatet, die einmal im Jahr ein Bierfest begeht, das merkwürdigerweise den Namen des Genremalers Adriaen Brouwer trägt. Dass ihm die Stadt ein Denkmal setzte, ist verständlich, da er ein Sohn der Stadt ist. Doch warum man dem Künstler einen Bierhumpen nebst Pinsel und Farbpalette in die Hände gab, ist wenig nachvollziehbar. Oder doch? Ja, deftige Wirtshausszenen, bei denen im Suff auch der eine oder andere Zwist ausgetragen wurde, gehörten zu seinen beliebten Motiven.

Liefmans Markenzeichen ist die von Hand in Papier eingewickelte Bierflasche. Liefmans Cuvée Brut ist ein Bier aus Verschnitten von Oud Bruin und Goudenband, denen Sauerkirschen zugegeben werden, um ein säuerlich-fruchtiges Bieraroma zu erzielen. Eingeheimtipp? Mit der Brauerei Roman existiert in der Stadt an der Schelde eine weitere alteingesessene Brauerei, in der seit dem 16. Jahrhundert Gerstensaft vom Feinsten gebraut wird. Untergäriges Roman Pils war lange Zeit der Verkaufsschlager der Brauerei. Neben einem dunkel rotbraunen Ename Dubbel und Tripel, gibt es sei einigen Jahren in den Wintermonaten auch das kupferrote Ename Cuvée 974. In den zahlreichen Cafés am Markt kann man in aller Ruhe Roman-Biere kosten, so auch im Café Adriaen Brouwer oder im Stadskaffee Black Hole, ganz in Schwarz ausgekleidet.

Rathaus von Oudenaarde
Das Rathaus von Oudenaarde – ein Juwel der Architektur

Das mou, ein Muss für Liebhaber alter Wandteppiche

Wer sich für feinste Silberwaren und kostbare Wandteppiche interessiert, der ist gut beraten das mou im filigran wirkenden, gotischen Rathaus aufzusuchen. Hier kann man unter anderem Oudenaarder Wandteppiche mit Bildmotiven wie „Landschap met twee fazanten“ („Landschaft mit zwei Fasanen«) und „Susanne und die Alten“ bestaunen. Unter den Silberwaren, die man im mou zeigt, sind silberne Schnupftabak- und Tabaksdosen zu bewundern, aber auch Silberkannen mit Elfenbeinverzierungen.

Der Marktplatz mit dem Rathaus ist ein guter Ausgangspunkt für einen Stadtspaziergang links und rechts der Schelde. Verweilen wir noch ein wenig auf dem großen Marktplatz vor dem Rathaus. Es gilt weithin als ein Prunkstück der Brabanter Gotik. Bei dem Turm des Rathauses handelt es sich um den 40 Meter hohen Glockenturm. Vom Balkon des Turms wurden einst die Beschlüsse der Stadträte öffentlich verkündet.

Tacambaroplein und Stadtpark

Oudenaarde Zentrum: Grote Markt
Café Carillon

Noch ein Wort zur ursprünglich romanischen, jedoch baulich veränderten Tuchhalle, die im 13. Jh. aus Kalkstein errichtet wurde, den man nahe Tournai gebrochen hatte. Sie steht in einer Straße, in der vor allem neobarocke und neoklassizistische Bauten zu entdecken sind. Auch das in Sandstein errichtete, teils barocke, teils neobarocke 20-achsige, heutige Bernarduskolleg, einstmals der Sitz des Vertreters der Grafen von Flandern, steht in der Hoogstraat. Am Ende dieser Straße liegt der teilweise begrünte Tacamberoplein (2) vor uns. Hier hat man ein Denkmal für die belgischen Opfer des 1867 ausgetragenen Mexikanischen Kriegs errichtet. Die belgisch-mexikanische Verbindung erklärt sich aus dem Tatbestand, dass die belgische Prinzessin Charlotte mit dem österreichischen Kaiser Maximilian verheiratet war, der auch über Mexiko herrschte.

Bei dem Denkmal handelt es sich um eine auf einem Sockel ruhende Trauernde, die sich auf eine Weltkugel stützt. Lenken wir nun unsere Schritte in die Nederstraat, wo sich das älteste in Fachwerktechnik erbaute Haus der Stadt befindet. Süßmäuler aufgepasst, denn ‘t Soethuys (Nederstraat 58!!) verführt zum Verweilen. Hm, leckere Pralinen und andere Süßigkeiten lassen schon beim Anblick das Wasser im Mund zusammenlaufen. Wir belassen es bei einem sehnsüchtigen Blick und wenden uns in die Einestraat, die wie die parallel verlaufende Kattestraat trotz der Verbauungen und Überformungen zu einer der besterhaltenen Straßen Oudenaardes zählt. In dieser Straße befindet sich auch das Geburtshaus des Schriftstellers und Komponisten Gentiel-Theodoor Antheunis, der durch eine entsprechende Gedenktafel geehrt wird. Spätgotische wie auch Rokoko- und Renaissance-Architektur, auch Art nouveau und Art déco findet man wie Perlen auf der Schnur aufgereiht, flaniert man durch die Einestraat, um zum Stadt- oder Liedtspark zu gelangen. Es handelt sich dabei um eine Anlage im Stil des englischen Landschaftsparks, in dem ein im 19. Jh. erbautes Schlösschen den Blick auf sich lenkt.

Bier aus Oudenaarde
Ein Prosit auf Adriaen Brouwer!

Der Große Markt und der Kleine Markt

Zumeist finden sich rund um den Marktplatz zwei- bis vierachsige Häuser unterschiedlicher Architekturstile, ob klassizistisch in ihrer Ausformung oder mit neobarockem Glockengiebel. Im Kern spätgotisch ist das Haus „De Clocke“, in dem in der Vergangenheit mal Bier gebraut wurde. Am Fuße der Sint-Walburgakerk stoßen wir auf das doppelgieblige Café De Carillon, das Teil eines einstigen Ensembles von elf Häuschen ist, die sich einst an den Chor der Kirche „schmiegten“. Es handelt sich bei dem genannten Café um ein sogenanntes braunes Café – dank sei den vielen Zigarren- und Zigarettenrauchern, die hier Gäste waren.

Unweit der massiv erscheinenden St-Walburga-Kirche stehen wir auf dem sogenannten Kleinen Markt. Der älteste Steinbau der Stadt befindet sich auf der einen Seite des Platzes. Es handelt sich um einen Patrizierwohnturm aus dem 12. Jh., der allgemein als Balduinturm bekannt ist. Nebenan befindet sich das in Sandstein konzipierte Haus der Margaretha von Parma, eine in Oudenaarde geborene uneheliche Tochter Kaiser Karls V., die als Statthalterin der habsburgischen Niederlande, dem heutigen Belgien, eingesetzt wurde. Margaretha’s Restaurant, Weinbar und Café sind heute in diesem Haus zu finden. Auch das Haus der Fleischergilde und das sogenannte Steenhuyse gehören zum sehenswerten Ensemble des Kleinen Marktes.

Oudenaarde: St.-Walburgakirche
St. Walburgakirche in Brabanter Gotik

Den Kopf in den Nacken legen muss man, will man zum 88 Meter hohen Westturm der in Brabanter Gotik konzipierten, dreischiffigen Sint-Walburgakerk hinaufblicken. Auffallend ist, dass das Querschiff deutlich länger als das Kirchenschiff selbst ist, auch wenn nur der Westteil des Querschiffs überhaupt ausgeführt wurde. Im Inneren kann man einen Blick auf einen neogotischen Klappaltar ebenso werfen wie auf klassizistische Beichtstühle. Man findet barocke Gemälde wie „Die Verherrlichung von Christus auf dem Berg Tabor“ und verschiedene Grabmäler, so auch von Claudius Talon, dem Stadtgouverneur unter Ludwig XIV. Selbstverständlich besitzt die Kirche auch ein Glockenspiel, das im Sommer zu Glockenspielkonzerten angeschlagen wird. Vor dem Sakralbau stößt man auf vier Glocken, die ursprünglich im Glockenturm des Rathauses hingen und 1759 gegossen wurden.

Ein Beginenhof ohne Beginen

Nein, Beginen gibt es im hiesigen Beginenhof von Oudenaarde längst nicht mehr. Die letzte Begine von Oudenaarde verstarb 1960. Ältere Bewohner haben nun in den weiß geschlämmten „Gemeinschaftshäuschen“ ihr Zuhause gefunden. Verschwunden ist der umlaufende Wassergraben, der ursprünglich den Beginenhof umschloss. Geblieben sind die 30 Häuschen, die sich um zwei Höfe gruppieren und auch die Kapelle ist noch erhalten. Nur wenige der Häuschen datieren aus dem 17. Jahrhundert, der Blütezeit der Beginen. Zu betreten ist die Hofanlage durch einen Torbau, der einen zartrostroten Anstrich erhalten hat. Der Pestheilige Sankt Rochus ist über dem barocken Korbbogenportal zu sehen.

Oudenaarde: Beginenhof
Ein Beginenhof ohne Beginen

Ein Blick über die Schelde

Am nahen Scheldeufer schweift unser Blick hinüber zur 1234 gestifteten, in Back- und Sandstein errichteten Zisterzienserabtei von Maagdendale mit einer Basilika und dem Quartier der Klosterbewohnerinnen. Heute ist der Komplex teilweise in Privatwohnungen umgewandelt worden und wird zudem vom Stadtarchiv genutzt. In der Nachbarschaft zu diesem ehemaligen Kloster steht die aus Kalkstein erbaute, auf kreuzförmigen Grundriss entworfene Kirche Unserer Lieben Frau von Pamele. Die mächtigen Herren von Pamele hatten den Kirchenbau im Stil der Scheldegotik maßgeblich finanziert. Lassen wir unseren Blick nach links schwenken, so ruht unser Blick auf der weiß geschlämmten, achtachsigen Rokokofassade des Herrenhauses derer von Lalaing, in dem heute fleißige Hände historische Wandteppiche wiederherstellen.

Text und Fotos: ferdinand dupuis-panther (Mehr vom Autor zu Belgien: http://www.schwarzaufweiss.de/belgien/home.htm)

Informationen

Stadt Oudenaarde
http://www.oudenaarde.be/

Tourist Office
Stadhuis
9700 Oudenaarde
toerisme@oudenaarde.be

Brauereien
Brauerei Liefmans
http://www.liefmans.be/en

Brauerei Roman
http://www.roman.be
http://www.roman.be/nl/brouwerij/bezoeken.php

Bierfest
http://www.adriaenbrouwer.be/

Museen
mou
Museum Oudenaarde en de Vlaamse Ardennen
Stadhuis
http://www.mou-oudenaarde.be

Huis de Lalaing
Bourgondiëstraat 9
9700 Oudenaarde

Cafés
Carillon
Markt 49
9700 Oudenaarde

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