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Belgien streicht fast alle Corona-Beschränkungen, Lockerungen auch in den Nachbarländern

Copyright: ECDC

 

Von Reinhard Boest und Michael Stabenow.

Die Karte des Europäischen Zentrums für Seuchenprävention ECDC ist zwar weiterhin fast durchgehend dunkelrot; angesichts der inzwischen vorherrschenden, als weniger gefährlich angesehenen Omikron-Variante halten aber die meisten EU-Staaten weitgehende Lockerungen für verantwortbar.

Belgien folgt jetzt dem Beispiel zahlreicher europäischer Länder und streicht fast alle noch geltenden Corona-Beschränkungen. So soll das Land, wie die Spitzen von Föderal- und Regionalregierungen beschlossen haben, am Montag (7. März) von der jetzigen „orangefarbenen“ auf die „gelbe“ Warnstufe übergehen.

Konkret bedeutet dies, dass die meisten Beschränkungen wegfallen werden. Mund- und Nasenmasken müssen nur noch in öffentlichen Verkehrsmitteln sowie in Krankenhäusern sowie Alters- und Pflegeheimen getragen werden.

Corona-Inzidenz in Deutschland viermal so hoch

Die Mitglieder des „Konzertierungsausschusses“ begründeten ihre Entscheidung mit der zuletzt deutlich niedrigeren Zahl der Neuinfektionen sowie insbesondere mit der Entspannung der Lage in den Krankenhäusern. So wurden in der vergangenen Woche durchschnittlich 4843 Neuinfektionen registriert, was einer Sieben-Tage-Inzidenz von 291,4 entspricht. Zum Vergleich: In Deutschland, wo die Omikron-Welle mit Verzögerung einsetzte, lag sie zuletzt noch bei über 1200.

Die Zahl der Intensivpatienten in Belgien sank innerhalb einer Woche um 16 Prozent auf 227. Dies ist deutlich unterhalb der für die „gelbe“ Warnstufe maßgeblichen Schwelle von 300 Fällen. Stärker – um 27 Prozent auf täglich durchschnittlich 132 Fälle – fiel die Zahl der Klinikaufnahmen.

Das ist eigentlich deutlich oberhalb des für die „gelbe“ Warnstufe vereinbarten Schwellenwerts von 65 neuen Krankenhausaufnahmen. Da für das Ende Januar eingeführte „Corona-Barometer“ aber auch der Trend bei den Zahlen sowie wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Aspekte maßgeblich sind, sehen die Mitglieder des „Konzertierungsausschusses“ die Voraussetzungen für die „gelbe“ Warnstufe als erfüllt an. Erwartet wird, dass die Zahl der Klinikaufnahmen zwischen dem 15. und 20 März auf unter 65 sinken wird.

Keine Masken, volle Stadien

Im Alltag wird sich der Übergang von der seit dem 18. Februar gültigen mittleren zur niedrigsten der drei Warnstufen dadurch bemerkbar machen, dass die Maskenpflicht bis auf wenige Ausnahmen enden wird. Sie entfällt in Geschäften, beim Friseur, aber auch beim Besuch von Theater, Kinos und Sportveranstaltungen. Und es darf in Belgien wieder volle Fußballstadien geben. Auch in den Schulen fällt mit Ende der Ferien am 7. März die Maskenpflicht für alle Altersstufen weg.

Für Menschen mit einer geschwächten Immunität gilt weiter die Empfehlung, die gut vor Infektionen schützenden FFP2-Masken zu tragen. Empfohlen wird zudem, Masken dann aufzusetzen, wenn sich in Innenräumen keine ausreichenden Abstände zwischen den Menschen wahren lassen. Die bisherige Empfehlung, von zuhause aus zu arbeiten, entfällt; allerdings ruft der „Konzertierungsausschuss“ Betriebe und Sozialpartner dazu auf, auch weiter Telearbeit zu ermöglichen.

Das Covid Safe Ticket (CST) verschwindet in Belgien

Die Verpflichtung, zum Beispiel beim Besuch von Gaststätten den Nachweis einer Impfung, Genesung oder eines aktuellen negativen Tests mitzuführen (“3G”), wird abgeschafft. Es wurde jedoch darauf verwiesen, dass das in Belgien oft unter dem Kürzel „CST“ (Covid Safe Ticket“) firmierende digitale EU-Corona-Zertifikat weiter für Reisen in andere Länder erforderlich sei.

Gelockert werden auch – am 11. März – die Reisebestimmungen. Personen, die entweder geimpft, genesen oder negativ getestet sind, müssen das als „Passenger Locator Form“ (PLF) bezeichnete Formular bei der Aus- und Einreise nach Belgien im Regelfall nicht mehr ausfüllen.

Premierminister Alexander De Croo dankte insbesondere den Beschäftigten im Gesundheitswesen für deren unermüdlichen Einsatz seit Ausbruch der Pandemie vor zwei Jahren. Er erinnerte aber auch daran, dass das Coronavirus in Belgien bisher für den Tod von rund 30000 Menschen verantwortlich sei und unermessliches Leid über zehntausende von Familien gebracht habe.

Van Gucht warnt vor steigenden Infektionszahlen

Der Leiter der Gesundheitsbehörde Sciensano, Steven Van Gucht, verwies darauf, dass der Trend sinkender Infektionszahlen sich zuletzt verlangsamt habe. In mehreren Regionen sei die Zahl der Infizierten in der Generation der 20 bis 30 Jahre alten Bewohner wieder angestiegen. Es sei auch möglich, dass die jüngsten und die kommenden Lockerungen wieder insgesamt zu mehr Infektionen führten. „Wegen der aufgebauten Immunität in der Bevölkerung erwarten wir allerdings nicht, dass dies zu neuen Problemen im Gesundheitswesen führen wird“, sagte Van Gucht.

Und wie sieht es in den Nachbarländern aus?

Vorweg: auch wenn allerorten gelockert wird, halten die meisten EU-Mitgliedstaaten weiterhin daran fest, dass man für die Einreise die 3G-Regel einhalten, also geimpft, genesen oder getestet sein muss. Dafür braucht also weiter ein CST oder die entsprechende deutsche, französische o.ä. Bescheinigung. Das dem zugrunde liegende digitale EU-Zertifikat behält also weiter seine Bedeutung, zumindest bis Ende Juni 2022 (so lange gilt vorerst die EU-Verordnung).

In Deutschland ist am 4. März die zweite Stufe der von Bundesregierung und Ländern am 16. Februar vereinbarten Lockerungen in Kraft getreten. In der Gastronomie, Hotellerie, in Kultureinrichtungen, Sportstätten und bei Großveranstaltungen bis 1000 Teilnehmer gilt jetzt die 3G-Regel (bisher 2G). Diskotheken und Clubs dürfen mit 2G+ wieder öffnen (geimpft oder genesen mit zusätzlichem Test oder Booster). Für Großveranstaltungen mit über 1000 Teilnehmern gelten Obergrenzen und Kapazitätsbeschränkungen sowie regional unterschiedlich 2G oder 2G+. Am 20. März sollen alle “tiefgreifenderen Schutzmaßnahmen” entfallen, “wenn die Situation in den Krankenhäusern dies zulässt”. Weiterhin gelten sollen bestimmte “Basisschutzmaßnahmen” zur Eindämmung des Infektionsgeschehens und zum Schutz vulnerabler Gruppen. Dazu zählen die Maskenpflicht in geschlossenen Räumen von Publikumseinrichtungen sowie in Bussen und Bahnen, die Pflicht zum Nachweis des Impf-, Genesenen- und Teststatus sowie die Möglichkeit, in bestimmten Bereichen Tests vorzusehen.

Ebenfalls seit dem 4. März gilt kein Land mehr als “Hochrisikogebiet” im Sinne der Corona-Einreiseverordnung. In diese Kategorie waren zuletzt noch rund 60 Staaten eingeordnet, darunter viele Nachbarstaaten mit z.T. deutlich niedrigeren Inzidenzwerten als in Deutschland selbst. Das Robert-Koch-Institut begründet dies damit, dass die Fähigkeit der Omikron-Variante, eine bedrohliche Erkrankung hervorzurufen, weniger schwerwiegend sei im Vergleich zu den vorherigen vorherrschenden Varianten. Konkrete Folge dieser Maßnahme ist, dass die Einreiseanmeldung bei der Einreise nach Deutschland entfällt. Außerdem werden die Quarantäneregelungen für Kinder erleichtert, was insbesondere Familien hilft, da Kinder bsher nicht geimpft werden konnten. Wie bisher muss man bei der Einreise aber nachweisen, dass man geimpft, getestet oder genesen ist.

Die Niederlande haben zum 25. Februar praktisch alle Corona-Beschränkungen aufgehoben, obwohl die Inzidenz viermal so hoch liegt wie in Belgien. Einzig verblieben sind die Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln, Flugzeugen und Flughäfen sowie die Pflicht, sich vor der Teilnahme an einer Veranstaltung mit mehr als 500 Teilnehmern ohne feste Sitzplätze in Innenräumen testen zu lassen (“1G”, Testen voor Toegang); das betrifft vor allem Diskotheken und große Clubs. Alle anderen bisherigen Auflagen wie Masken, Impfungen und Quarantäne sind nur noch empfohlen. Für die Einreise gilt 3G.

Luxemburg sieht für die Gastronomie, Veranstaltungen mit mehr als 50 Teilnehmern, Kultureinrichtungen und Krankenhäuser die 3G-Regel vor. In Geschäften, öffentlichen Verkehrsmitteln und bei Veranstaltungen mit 11 bis 50 Teilnehmern gilt Maskenpflicht.

Für Frankreich hat Premierminister Jean Castex Lockerungen für den 14. März angekündigt. Dann entfällt der “pass vaccinal” für alle Bereiche, für die er bisher vorgeschrieben ist, insbesondere in der Gastronomie, in Kultureinrichtungen und bei Veranstaltungen; nur für den Gesundheitsbereich ist er weiter erforderlich (Zugang zu Krankenhäusern, Altenheimen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen). Die Impfpflicht für Beschäftigte in diesen Sektoren bleibt bestehen, ansonsten entfällt sie. Maskenpflicht besteht nur noch in öffentlichen Verkehrsmitteln und in Einrichtungen des Gesundheitswesens.Einreise: 3G.

Infos über andere europäische Länder: https://reopen.europa.eu/de/

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