Wirtschaft

Belgien braucht neue Gaskraftwerke

Von Rainer Lütkehus.

Belgiens Stromversorgung hängt derzeit zur Hälfte von Atomkraft ab. Es braucht Alternativen, sollte es wirklich, wie geplant, 2025 alle Kernkraftwerke vom Netz nehmen. Die belgische Regierung hat deshalb beschlossen, den Bau neuer Gaskraftwerke zu fördern. Sie schätzt, dass bis 2025 neue Stromerzeugungskapazitäten im Umfang von bis zu 3,9 Mio. Kilowatt zur Verfügung stehen müssten, davon 2,3 Mio. Kilowatt für die Verstromung von Erdgas.

Im Oktober sollen sich potenzielle Investoren in einer Auktion um die staatlichen Zuschüsse für den Bau von zwei oder drei neuen Gaskraftwerken bewerben, um diese Gesamtleistung erzeugen zu können. Die Zuschüsse werden als notwendig angesehen, um den Erzeugern ein Minimum an Einnahmen zu garantieren, unabhängig davon, ob ihr Strom gebraucht wird, falls gerade viel preisgünstigere Sonnen- oder Windenergie zur Verfügung steht, oder sie ihn nicht kostendeckend an der Strombörse verkaufen können. Diese Unterstützung wird in Expertenkreisen als „Kapazitätsmechanismus“ bezeichnet. 2024 sollen Zuschüsse für weitere 1,5 Mio. Kilowatt versteigert werden, davon 1,1 Mio. Kilowatt an bestehende Kraftwerke in Frankreich, den Niederlanden und Deutschland. Eine Stromverbindung mit Deutschland besteht und ist seit November in Betrieb.

Die Anzahl neuer Gaskraftwerke sei auf ein Minimum begrenzt worden, sagte die grüne Energieministerin Tinne Van der Straeten nach der Ankündigung der Auktion. Das sei kein roter Teppich für Gaskraftwerke. „Wir müssen alles tun, um die Kapazität der fossilen Brennstoffe zu begrenzen.“ Die Kosten für den Kapazitätsmechanismus veranschlagt die belgische Regierung auf 238 Mio. Euro für einen Zeitraum von 15 Jahren.

Die EU-Kommission muss allerdings noch grünes Licht für Belgiens Kapazitätsmechanismus geben. Ein Treffen zwischen Van der Straeten und EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager Ende April habe jedoch keine unüberwindbaren Hindernisse ergeben, heißt es.

Die belgische Regierung hatte im Dezember 2019 ein Vorhaben für einen Strom-Kapazitätsmarkt bei der EU-Kommission eingereicht, ohne jedoch die Bedenken der belgischen Energieregulierungsbehörde, Creg,  zu berücksichtigen. Die hatte Einwände gegen die Berechnungsmethode des Umfangs des Kapazitätsmarkts vorgebracht .

Ende 2021 entscheidet die Regierung über den vollständigen Atomausstieg

Die umstrittene, 2015 von der Regierung beschlossene, Laufzeitverlängerung der drei ältesten Atommeiler Doel1 und Doel2 und Tihange 2 auf 50 Jahre scheint inzwischen nicht mehr vollzogen zu werden. Nach Klagen von AKW-Gegnern hatte zwar das belgische Verfassungsgericht in einem Urteil im März 2020 entschieden, dass für den Weiterbetrieb eine Umweltverträglichkeitsprüfung und eine Volksbefragung erforderlich seien. Inzwischen hat der Betreiber der belgischen Atomkraftwerke, Engie Electrabel, angekündigt, die Schließung und Stilllegung dieser drei Atommeiler vorzubereiten. Im November will die belgische Regierung entscheiden, ob die Meiler Tihange3 und Doel4 über das Jahr 2025 hinaus am Netz bleiben sollen, um die Versorgungssicherheit zu garantieren.

Zurzeit sind alle sieben Atommeiler im Königreich mit einer Gesamtkapazität von 5,8 Mio. Kilowatt am Netz. Sie wurden im Zeitraum zwischen 1975 und 1985 gebaut. Vier befinden sich in Doel bei Antwerpen, drei in Tihange unweit von Lüttich.

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