Archiv, Geschichte, Politik

Vor dem Haus Avenue Brugman 247, Uccle

Am 19. April 1943 stoppten drei junge Widerstandskämpfer, Youra Livchitz, Jean Franklemon und Robert Maistriau den 20. Transportzug vom Sammellager Mechelen nach Auschwitz, in dem 1631 Juden deportiert wurden, auf der Höhe des Dorfes Boortmeerbeek. 17 Männer und Frauen konnten sich retten, bevor der stehende Zug unter Beschuss genommen wurde. Die drei Männer kannten sich seit ihrer gemeinsamen Schulzeit im Athenée d’Uccle und dem Studium an der ULB. Youra Livchitz, 25 Jahre alt, war Arzt.

Alle drei wurden später verhaftet. Franklemon und Maistriau wurden nach Deutschland deportiert und überlebten den Krieg. Youra (Deckname Georges) entkam aus der Gestapohaft des Reichssicherheitshauptamts in der Avenue Louise, wurde verraten und fiel ihr wieder in die Hände. Im Lager Breendonk wurde er gefoltert und am 17. Februar 1944 auf dem Tir National in Schaerbeek durch Erschießen hingerichtet.

Sein älterer Bruder Choura (Deckname Alexandre) war Ingenieur der Universität Gent. Er hatte eine leitende Funktion im bewaffneten Widerstand. Er wurde verletzt, verraten und gleichzeitig mit seinem Bruder ins Lager Breendonk verbracht. Auch er wurde gefoltert. Auch er wurde durch Erschießen hingerichtet. Das geschah am 10. Februar 1944.

Le Tir National ist den Gebäuden von RTBF/BRT gewichen. Es bleibt aber der «Enclos des Fusillés», rue Colonel Bourg/Boulevard Auguste Reyers 52 in Schaerbeek, wo die Brüder in der Reihe IX, Platz 158 und 159 begraben sind.

Zur Erinnerung an ihr exemplarisches Schicksal wurden nach einer Initiative von Ruth Breuer, Brüssel am 23. Oktober 2013 zwei Stolpersteine verlegt. Da die Brüder jahrelang ohne festen Wohnsitz im Untergrund lebten, wurde das Haus ihrer Mutter Rachel, die sie in der Avenue Brugman 247 so oft wie möglich besuchten, als Ort der Verlegung bestimmt.

Eine ganz besondere Rolle im Leben der Familie spielte Marcel Hastir. In seinem Atelier, rue du Commerce, traf sich der Cercle théosophique, durch dessen Hilfe Rachel den Krieg überlebte. Und im Hinterzimmer von Hastirs Atelier wurden verbotene Zeitungen und Flugblätter gedruckt. Horst Schröder, in Vertretung des Atelier Hastir, las nach der Verlegung der Stolpersteine Ausschnitte aus den Abschiedsbriefen von Choura und Youra Livchitz vor.

Dazu das Buch «Stille Rebellen – Der Überfall auf den 20. Deportationszug nach Auschwitz», Aufbau-Verlag, von Marion Schreiber.


Erstellt oder aktualisiert am 28. Oktober 2013.

Leave a Comment

Ihre E-Mail-Adresse wird veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.