Das Land

Polizei und Bürger in Brüssel – ein angespanntes Verhältnis

Von Madeline Lutjeharms. 

In den vergangenen Monaten hat es in Brüssel im Rahmen von Polizeieinsätzen einige sehr bedauerliche Todesfälle sowie Berichte und Bilder über Gewalt bei Festnahmen gegeben. Das trägt nicht zu mehr Vertrauen gegenüber Polizistinnen und Polizisten in der Hauptstadt bei.

Das letzte Opfer war Ibrahima (23), der Anfang Januar verhaftet wurde und später in Polizeigewahrsam starb. Die Gründe für die Verhaftung und die Todesursache sind noch ungeklärt. Schon vorher hatte es Verkehrstote durch Unfälle mit Streifenwagen gegeben, weil die Betroffenen vor der Polizei zu flüchten versuchten. Adil (19) beispielsweise floh bei einer Kontrolle zur Einhaltung von Corona-Maßnahmen, Mehdi (17) vor einer Drogenkontrolle. Die Fälle lösten breite Reaktionen in der Öffentlichkeit aus, bis hin zu Demonstrationen.

Es ist bekannt, dass nicht-weiße Jugendliche und junge Männer in Brüssel oft von der Polizei kontrolliert werden, nicht immer in höflicher Weise. Diese Erfahrungen dürften dazu beitragen, das Fluchtverhalten zu erklären.

Im Brüsseler Parlament beschäftigte sich bereits seit dem Frühjahr letzten Jahres eine „Kommission für inländische Angelegenheiten“ mit dem Problem und verabschiedete einen Bericht mit 37 Empfehlungen, die in den „Globalen Sicherheits- und Präventionsplan“ der Region Brüsseler aufgenommen wurden. Doch damit allein wird sich das arg beschädigte Vertrauen zwischen Bürgern und Polizei wohl nicht so einfach wiederherstellen lassen.

Die Abgeordnete Els Rochette, Mitglied im Brüsseler Parlament für die niederländisch-sprachigen Sozialdemokraten von one.Brussels, sp.a., ist eine der Verantwortlichen für den Bericht und bemüht, die Beziehungen zwischen Polizei und Bürgern zu verbessern. Bei einer Diskussion Ende Februar unter dem Titel de politie, uw vriend!?/la police, votre amie!? mit dem Polizeichef der Region Brüssel Süd, Jurgen De Landsheer, dem Street Worker und Sozialarbeiter Brahim L’Hichou und der Zuständigen für die Polizei bei der sozialistischen Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes (CGSP), Betty Masure, ging es um darum, wie Vertrauen wieder aufgebaut werden kann. Dabei wurden auch die unterschiedlichen Perspektiven deutlich; während sich Polizeichef De Landsheer mehr auf die Polizei als Organisation konzentrierte, lag der Fokus von L‘Hichou auf den Erfahrungen junger Leute und der von Gewerkschaftsvertreterin Masure darauf, wie Polizistinnen und Polizisten die Situationen erleben.

Die Online-Diskussion mit dem Publikum machte deutlich, dass auch die Corona-Auflagen eine ohnehin schon aufgeladene Situation noch erschweren. Die Aufgabe, die Einhaltung der Maßnahmen zu kontrollieren, ist für die Polizei nicht einfach und sie wird oft angegriffen. Auch die Bevölkerung hat es schwer und bei vielen liegen die Nerven zunehmend blank. Dennoch gibt es Möglichkeiten, die derzeit sehr aufgeladene Situation wieder zu beruhigen und zu einem besseren Miteinander zu finden. Konkret wird die Rückkehr zu einer Nachbarschaftspolizei, wie der früheren Kommunalpolizei, die das eigene Revier und seine Menschen gut kennt, empfohlen. Vor der Polizeireform hatte man auch gute Erfahrungen damit gemacht, wenn die Polizei in die Schulen kam, um u.a. über Verkehrssicherheit zu sprechen und damit Zugänge für den Dialog schuf. Diese Programme müssen wieder aufleben, um das Gespräch zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Polizistinnen und Polizisten ohne Aggressivität und hochschlagende Emotionen wieder zu ermöglichen. Auch der nun geplante Einsatz von Fahrrädern, auch elektrischen, statt Autos, verbessert die direkten Kontaktmöglichkeiten.

Daneben geht es auch um die Diversität innerhalb der Polizei. Es wird nicht nur mehr, sondern vor allem kulturell diverseres Personal auf Brüsseler Ebene, das die Stadt kennt und nicht, wie bisher zu 80% aus Flandern oder der Wallonie rekrutiert wird, gebraucht. Doch gerade der Diversitätsaspekt ist nicht einfach umzusetzen. Die schulischen Voraussetzungen für eine Bewerbung zur Ausbildung bei der Polizei werden von vielen jungen Leuten nicht erfüllt. Es muss daher mehr in Schulbildung investiert werden. Denn gleichzeitig kämpft die Polizei mit Personalmangel. Viele Stellen sind unbesetzt und der ganze Apparat hat mit dem zahlenmäßigen Zuwachs der Brüsseler Bevölkerung nicht Schritt gehalten. Die Situation wird durch die extrem langsam mahlenden Mühlen der Justiz noch verschärft: Wenn ein Polizist oder eine Polizistin angeklagt wird, ist sie von Dienst suspendiert und wartet zu Hause oft jahrelang auf den Ausgang des Prozesses. Dies verschlimmert den Personalmangel. Darüber hinaus muss sich die Polizei um Sachen kümmern, die kommunale Ordnungsämter besser übernehmen könnten. Sie verliert beispielsweise sehr viel Zeit damit, sich um Falschparker zu kümmern oder mit Denunziationen, die zudem zu einem schlechten Image führen, auch wenn nachgewiesen werden kann, dass sie nicht stimmen.

Die Polizei selbst ist jedoch auch gefordert, z.B. wenn es um die Kommunikation mit Angehörigen von Opfern geht – hier herrscht derzeit ein Mangel an Sensibilität, nicht zuletzt auch beim Umgang mit Sexualstraftaten, der mit einer entsprechenden Aus- und Weiterbildungsstrategie angegangen werden muss. Und bei Rassismus oder Homophobie in den Reihen der Polizei muss schneller reagiert werden. Mit dem jetzigen komplexen Disziplinargesetz geht es zu langsam. Schließlich sollte nicht vergessen werden, dass die Polizeiarbeit nicht ungefährlich ist. Ein krankenhausreif geschlagener Polizist hat es nicht leicht, wenn er im Krankenhaus erfährt, dass der Täter schon wieder freigelassen wurde. Nach psychologisch schwierigen Eingriffen braucht eine Polizistin, braucht ein Polizist eine Instanz, an die sie oder er sich wenden kann, um die Emotionen zu verarbeiten.

Der Wille innerhalb der Polizei, die Lage zu verbessern ist da. Aber wie kann man die guten Absichten umsetzen? Mehr Personal, Aus- und Weiterbildung, mehr Transparenz, schnellere und bessere Kommunikation, schnelle Strafverfahren und konsequentes Durchgreifen bei Fehlverhalten, gehören zu den Antworten. Dabei kann auch der Einsatz von sogenannten Bodycams helfen. Bei der föderalen Polizei läuft derzeit ein Testprojekt dazu.

Dialoge und Gespräche, wie die oben genannte, von der Organisation „Vermeylenkring/Curieus“ organisierte, sind ein wichtiger Transmissionsriemen, um auf allen Seiten wieder mehr Vertrauen und Verständnis füreinander zu generieren.

 

 

 

 

 

 

Leave a Comment

Ihre E-Mail-Adresse wird veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.