Kultur

Musikwettbewerb Reine Elisabeth 2022 – Enttäuschung für Belgien

Von Egon C. Heinrich

Der Concours Reine Elisabeth 2022 – diesmal auf der Suche nach den besten jungen Cellisten – endete mit einer mehr oder weniger großen Enttäuschung für die belgischen Musikfreunde. Diese hatten gehofft, ja sogar erwartet, dass die belgische Kandidatin Stéphanie Huang doch einen der ersten Plätze belegen würde. Nach ihrer Performance im Halbfinale und im Finale sowie nach ihrer bisherigen Karriere und ihren Auszeichnungen wäre dies eigentlich zu erwarten gewesen. Statt dessen wurde die 26jährige von der Jury auf Platz acht unter den zwölf Finalisten gesetzt. Stéphanie Huang kann sich damit trösten, dass sie von den Zuschauern und Zuhörern von RTBF/Musiq3 und von VRT/Canvas/Klara zum Publikumsliebling gewählt wurde. In der Zeitung „Le Soir“ war sie als eine Musikerin mit großer Ausstrahlung bezeichnet worden. Ihre Interpretation des sehr romantischen Cellokonzerts opus 104 von Antonin Dvorak wurde von der Zeitung als „émouvante et juste“ qualifiziert. Huang war schon im Alter von 12 Jahren in „La Monnaie“ aufgetreten. Sie wird auch beim Festival Musiq3 im Flagey spielen.

Als der Concours Reine Elisabeth im Jahre 2017 zum ersten Mal die Cellospieler zum Wettstreit eingeladen hatte, wurde dieser von den Cellisten aus Frankreich dominiert, die auch den Gewinner stellten. Diesmal gaben die jungen Musiker und Musikerinnen aus Asien, vor allem aus Südkorea, den Ton an. Sieben der zwölf Finalisten kamen aus Asien oder hatten zum Teil asiatische Eltern, wie auch Stéphanie Huang oder der Kanadier Bryan Cheng.

Musikerin aus Korea gewinnt den Grand Prix

So wurde der mit 25.000 Euro dotierte „Grand Prix International Reine Elisabeth – Prix de la Reine Mathilde“ der 24jährigen Koreanerin Hayoung Choi zuerkannt. Sie hatte die 15-köpfige Jury mit ihrer Interpretation des Cellokonzerts des polnischen Komponisten Witold Lutoslawski überzeugt. Diese neuzeitliche Komposition war von dem weltberühmten russischen Cellisten Matislav Rostropovitch im Jahre 1970 in London uraufgeführt worden. Der Gewinnerin kam sicherlich auch zugute, dass sie schon reichlich Erfahrung gemeinsamer Musik mit Orchestern, aber auch mit Quartetten und Quintetten gesammelt hat. So ist sie schon mit berühmten Geigern wie Gidon Kremer und Christian Tetzlaff sowie mit Dirigenten wie Martin Helmchen und Jörg Widmann aufgetreten.

Ganz anders dagegen die Karriere des erst 20jährigen Chinesen Yibai Chen, der den mit 20.000 Euro verbundenen Preis der belgischen Föderalregierung erhielt. Chen war als letzter der zwölf Finalisten vor Verkündung der Preisträger mit seiner Interpretation des Cellokonzerts Nr. 1, opus 109, von Dimitri Schostakovitch zu hören gewesen. Chen selbst schien von seinem zweiten Platz überrascht zu sein. In einem Interview gab er an, im Finale zum ersten Mal mit einem großen Orchester gespielt zu haben. Den Wettbewerb Reine Elisabeth bezeichnete er als sehr schwierig und anspruchsvoll. Chen hat schon im Alter von vier Jahren mit dem Cellospiel begonnen. Reift mit Yibai Chen ein Lang Lang des Cello heran? Die Jury jedenfalls war von seinem Können und seiner Musikalität beeindruckt. Äußerlich ist er kaum größer als sein Instrument. Wegen COVID-19 und den Lockdowns in China hat Chen seine Familie schon seit über einem Jahr nicht mehr getroffen. Diese muss wohl auch noch eine Weile auf ihn warten, denn als Preisträger muss er in den kommenden Wochen, wie die anderen Gewiner und Finalisten, mehrere Konzerte in den größeren Städten Belgiens geben. Details dazu finden sich hier.

Am 16. Juni werden die drei Erstplazierten mit dem Orchestre National de Belgique ein Abschlusskonzert im Palais des Beaux-Arts in Brüssel geben. Hayoung Choi ist daneben noch am 10. Juni vom Schlossherrn in dem Ort Hex zu einem Recital eingeladen, wobei sie vom Klavier begleitet wird.

Cellist aus Estland erhält den dritten Preis

Als bester Europäer ging der Este Marcel Johannes Kits aus dem Concours hervor; er erhielt den mit 17.000 Euro ausgestatteten Preis des Comte de Launoit. Auch Kits hatte im Finale das erste Cellokonzert von Schostakovitch gespielt.

Zu jedem Wettbewerb vergibt auch eine der drei Sprachgemeinschaften Begiens einen Preis; in diesem Jahr war es die Flämische Gemeinschaft, und ihren mit 12.500 Euro verbundenen vierten Preis erhielt der Ukainer Oleksiy Shadrin. Man kann der Jury wohl nicht unterstellen, sie hätte diesen Preis an Shadrin aus Gründen der Solidarität mit der Ukraine zuerkannt. Der fünfte Preis (10.000 Euro) der Region Bruxelles-Capitale ging an den Serben Petar Pejcic, der sechste Preis (8.000 Euro) der Stadt Brüssel an den Kanadier Bryan Cheng.

Wenn es nach den Sympathiewerten des Publikums gegangen wäre, hätten diese beiden eine bessere Platzierung bekommen müssen. Die sechs weiteren Finalisten, die keinen besonderen Preis erhielten, können immerhin mit mit einem von der Loterie Nationale gestifteten Preisgeld von 4.000 Euro rechnen.

Bossanova für Clara und Robert Schumann

Die beiden deutschen Kandidaten, die es bis zum Halbfinale geschafft hatten, konnten sich nicht für das Finale qualifizieren. Deutsche Musik war indessen bei diesem Wettbewerb sehr präsent, und zwar vor allem durch Robert Schumann. Sein Cellokonzert opus 129 wurde immerhin von zwei Finalisten gespielt. Aus der Sammlung von Schumanns Klavierstücken mit der Bezeichnung „Davidsbündlertänze“ stammt der Titel „Wie aus der Ferne“, den der Komponist Daan Janssens seiner Cellokomposition gab, die den Halbfinalisten zur Einstudierung auferlegt worden war. Auch das von dem deutschen Allroundmusiker Jörg Widmann komponierte Cellostück „5 Albumblätter“, das die Finalisten in ihrer Quarantäne im der Chapelle Musicale Reine Elisabeth in Waterloo einstudieren mussten, ist weitgehend von Robert Schumann beeinflusst. Jörg Widmann würdigte dies, indem er einen Satz seines Werkes mit „Bossanova für Clara und Robert“ überschrieb.

Inzwischen lässt sich sagen, dass das Cello ein immer beliebteres Instrument zu werden scheint. Immerhin hatten sich 66 junge Cellisten aus fast allen Kontinenten für den diesjährigen Concours angemeldet. Auch das musikalische Niveau hat sich weiter verbessert, und die Kandidaten werden immer jünger. Aus den Interviews mit den Teilnehmern des Wettbewerbs geht hervor, dass diese schon in sehr jungen Jahren mit dem Instrument begonnen haben – und dass sie meistens ein sehr musikalisches Elternhaus haben.

Der Vorsitzende der Jury, Gilles Ledure, dankte vor allem dem Orchestre Royal de Chambre de la Wallonie und seinem Dirigenten Vahan Madrossian sowie dem Orchester Brussels Philharmonic und seinem Dirigenten Stéphane Denève für die wochenlange, exzellente musikalische Begleitung der jungen Cellisten.

Schirmherrin Königin Mathilde sehr präsent im Konzertsaal

Am ersten Abend des Finales wurde das belgische Königspaar im großen Konzertsaal des Bozar mit viel Beifall begrüßt. An allen vier weiteren Abenden war die Schirmherrin des Concours, Königin Mathilde, mit einer ihrer ihrer Töchter zugegen. Nur einmal, als die Königin wohl zum 70. Thronjubiläum von Queen Elisabeth in London weilte, wurde sie von Prinz Laurent und seiner Gattin vertreten. Mathilde erzählte bei dieser Gelegenheit, dass ihre jüngere Tochter Eleonore schon seit etlicher Zeit mit dem Violinspiel begonnen habe. Die Königin zeigte sich sehr glücklich darüber, dass der Concours jetzt wieder unter normalen Umständen stattfinden kann.

Im nächsten Jahr werden zum Concours Reine Elisabeth die jungen Sängerinnen und Sänger zum Sangeswettstreit in Brüssel erwartet, im Jahre 2024 sind es dann die Violinspielerinnen und -spieler , 2025 die Pianistinnen und Pianisten und 2026 dann wieder die Cellisten.

Eine Kassette mit vier CDs mit den Höhepunkten des diesjährigen Concours kann ab 11. Juni zum Preis von 45 Euro gekauft bzw. bestellt werden, und zwar über die Internetadresse https://shop.concoursreineelisabeth.be/

 

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