Lifestyle

Mobil in Brüssel

Von Sandra Parthie.

Es gibt wahrscheinlich kaum ein Thema, das die Bewohnerinnen und Bewohner Brüssels stärker vereint bzw. trennt, als die Verkehrsfrage. Je nachdem, womit man sich so durch die Stadt bewegt, vom Auto über Bus, Metro oder per Fahrrad – man hat selbst als Fußgänger so seine Sorgen.

Entweder kommt der Bus nicht oder steht, zusammen mit den Autos und Müllwagen im Stau; oder der Fahrradweg endet unvermittelt und man wird von wütend hupenden Taxis erschreckt, während man versucht, seinen Platz im Verkehrsgetümmel zu behaupten. Als Autofahrer nerven nicht nur alle anderen, die auch hinterm Steuer sitzen, sondern natürlich auch die ewigen Baustellen und sonstigen strukturellen oder spontanen Straßenverengungen durch Lieferfahrzeuge oder Busspuren. Sobald man meint, sein Ziel erreicht zu haben, kommt dann noch der Teil, der offenbar erst jede Menge Verkehr verursacht – die Suche nach einem Parkplatz. Herbert Grönemeyer hat das mal in der schönen Liedzeile „ich drehe schon seit Stunden/ hier so meine Runden/ ich finde keinen Parkplatz/ ich komm zu spät zu Dir mein Schatz“ zusammengefasst. Ob dabei Schatz, Supermarkt oder Reinigung das Ziel sind, ist dann letztlich auch egal, genervt ist genervt.

Die Suche nach dem Parkplatz

Vor dem Hintergrund dieser verbindenden Erfahrung im Brüsseler Alltag organisierten die sozialdemokratischen Schwesterparteien in Brüssel unter der Federführung der sp.a Brüssel eine Diskussionsrunde mit dem Brüsseler Mobilitätsminister Pascal Smet und den Schöffen Caroline Désir und Romain De Reusme aus Ixelles. Die Diskussion ist Teil der Kampagne „I vote where I live“ der sister parties, die damit das Bewusstsein insbesondere der Expats für und Interesse an den belgischen Kommunal- und Regionalwahlen stärken wollen. Das versammelte Publikum im Gemeindezentrum Malibran in Ixelles war ein Querschnitt der Bevölkerung – „richtige“ Brüsseler, ebenso wie Zugezogene und zeitweise hier Wohnende. Alle vereint im Interesse, die Stadtentwicklung zu verstehen und zu verbessern.

Die Veranstaltung wurde durch politischen Verwerfungen in der Brüsseler Regierungskoalition etwas in Mitleidenschaft gezogen: am Veranstaltungstag implodierte ein Teil der Brüsseler Regierung und Pascal Smet musste sich vertreten lassen. Das tat aber weder der Veranstaltung noch der Diskussion Abbruch – die beiden ausgewählten Kabinettsmitarbeiter kannten sich in ihrem Thema aus und die Teilnehmenden hielten mit Fragen und Ideen nicht hinterm Berg.

Dass die steuerliche Begünstigung von Dienstautos eines oder vielmehr das zentrale Problem ist, wussten nicht nur die politischen Vertreter, sondern auch die Teilnehmenden. Nur leider liegt die politische Verantwortlichkeit für die entsprechende Steuergesetzgebung auf föderaler Ebene. Einig waren sich alle darin, die Stadt fußgänger- und fahrradfreundlicher gestalten zu wollen, sei es durch mehr Radwege, mehr Abstellplätze, mehr Ausleihstationen, mehr Begegnungsorte, Fußgängerzonen, und was es sonst noch an Ideen gibt.

Zuviele Autos, also weg damit

Brüssel ist eben eine alte Stadt und keine moderne, am Reissbrett geplante. Auf mittelgroßen innerstädtischen Straßen lassen sich keine zwei Fahrbahnen pro Richtung, Bus- und Radspuren und ausreichend breite Gehwege unterbringen, egal wie motiviert die Planer sind. „Something has got to give“. Ermutigend, jedenfalls für alle, denen der Autoverkehr in der Stadt zuviel ist, war, dass dieses „something“ die Autos sein werden. Der „Plan Iris 2“ der Region sieht vor, den Autoverkehr bis 2018 im Vergleich zu 2011 um 20 Prozent zu reduzieren. Mit der Fußgängerzone auf dem Boulevard Anspach und dem Umbau der Chaussee d’Ixelles sind die ersten Anfänge gemacht, dem öffentlichen Nahverkehr und dem Fahrrad Vorrang einzuräumen. Schon jetzt gibt es eine Vielzahl von car-sharing-Angeboten in der Stadt und die Villo-Räder erfreuen sich großer Beliebtheit.

Es ging jedoch nicht nur um die Fortbewegung selbst. Die Regionalvertreter sind auch aktiv dabei, das Stadtbild begegnungsfreundlicher zu gestalten. Soll heißen, es soll mehr Plätze geben, die den Menschen als Treffpunkte dienen können. Ein Beispiel dafür ist die Neugestaltung am Place Rogier, der nun viel mehr Raum für Aktivitäten und Veranstaltungen bietet und dabei quasi nebenher bei der Reduzierung von Umweltverschmutzung und Lärm hilft.

Die fußgängerorientierte Urbanisierungsagenda wurde von den Teilnehmenden der Diskussion sehr willkommen begrüßt. Dabei waren einigen die Vorschläge der Region bzw. der Kommunen noch zu zahm: weitere Ideen, wie eine Extrasteuer für’s Autofahren in Brüssel, mehr Park & Ride-Plätze am Rande der Stadt, ebenso wie ein Plädoyer für grünere (und nicht nur mehr) Plätze wurden vorgebracht.

Die Müllautos, aber wer ist zuständig?

Auch die Müllautos tauchten in der Diskussion nochmals auf – warum denn im morgendlichen Berufsverkehr auch noch diese tonnenschweren Laster die Straßen verstopften, wurde gefragt. Die Antwort darauf mussten die Verkehrs- und Stadtplanungsexperten schuldig bleiben – dafür sei in der Region Brüssel ein anderes Ministerium zuständig…

Die Frage jedenfalls ist berechtigt, ebenso wie die nach der Brüsseler Eigentümlichkeit der verschieden-farbigen Mülltüten und ihre Deponierung auf der Straße. Um hier Antworten zu bekommen, planen die sozialdemokratischen sister parties für den Herbst eine weitere Diskussionsveranstaltung – mit der zuständigen Ministerin für die Sauberkeit in Brüssel.

Infos dazu rechtzeitig auf der Facebook-Seite der sister parties: https://www.facebook.com/IvoteWhereILive/

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