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„Männer für eine Nacht“

Von Friedhelm Tromm.

Herzlich willkommen, liebe Österreicher“, begrüßte Schulleiter Jürgen Langlet am 3. April das zahlreich erschienene Publikum in der Deutschen Schule. Aus gutem Grund, denn die Gäste aus der Alpenrepublik stellten an diesem Abend eindeutig die Mehrheit im Saal. Kein Wunder: Das Kabarettduo Florian Scheuba und Robert Palfrader ist dort seit Jahren ein Renner. Mit Unterstützung des Österreichischen Kulturforums präsentierte die iDSB die beiden mit ihrem neuesten Programm „Männer für eine Nacht“ zum ersten Mal in Brüssel.

 

Vor kurzem sind wir in Serbien aufgetreten, jetzt stehen wir hier in Belgien auf der Bühne, sind wir vielleicht derzeit auf einer Art ‚failed-state-Tournee?’“, eröffnet Scheuba launig den Abend.

Aber was heißt schon „failed state“?, gibt er zu bedenken, gewisse landestypische Eigenschaften müsse man vielleicht einfach akzeptieren, denn: „In Belgien gegen Korruption zu sein wäre wohl das gleiche, als wenn man in Nepal gegen Berge wäre“.

Eine „failed-state-Tournee“?

Schnell wiegelt er aber ab und meint: „Okay, in Belgien gab es lange Zeit keine Regierung, aber man hat ja praktisch nichts davon gemerkt, bei uns (in Österreich) gibt es zwar eine Regierung, doch das Problem ist: Man merkt im Grunde ebenso wenig davon“.Ja, bald versteht man, warum ihm die Jury, die ihm vor zwei Jahren den renommierten Österreichischen Kabarettpreis verliehen hat, seinerzeit bescheinigte, dass er „wie kein anderer derzeit einen scharfen Blick auf die politischen und gesellschaftlichen Zustände“ seines Heimatlandes wirft.

Felix Austria?

So nimmt er mit „Servus TV“ einen österreichischen Privatsender aufs Korn, der unter anderem für seine regelmäßigen Sendungen zur „Volkskultur“ bekannt ist: Bei Scheuba wird diese durch einen kauzigen Bergbauern repräsentiert, der kostbaren „männlichen Intimschmuck“ herstellt, garantiert nach alter alpenländischer Familientradition.

Zielscheibe seines Humors ist auch Frank Stronach, der österreichisch-kanadische Industrielle, Milliardär und Politiker, der „Gott und seinen Sohn“ vor allem als Unternehmer sieht: „Ja, er ist wirklich ein tüchtiger Kerl“, meint er anerkennend, „seine erste Firma, das waren gerade einmal 12 Leute, und heute ist das ein Weltunternehmen – und das Ganze vollkommen ohne Gewerkschaft.“ Vor allem: „Er selber war nie im Krankenstand, am Freitag ist er gestorben, und am Montag war er schon wieder auf der Arbeit.“

Nicht nur Unternehmer, auch Politiker können nach Scheuba viel von der Religion lernen, namentlich die Parteien sähen allerdings schon jetzt religiösen Gruppen zum Verwechseln ähnlich: Die FPÖ verkünde „radikale Botschaften“ (ähnlich dem fundamentalistischen Islam), die Grünen übernähmen die Rolle des Calvinismus („alles verbieten, was Spaß macht“) und „Neos“ (Das neue Österreich und Liberales Forum) sei quasi die Scientology unter den Parteien („man will gar nicht so genau wissen, was drin ist“). Die SPÖ schließlich imitiere praktisch das Judentum: „Völlig sinnentleerte Rituale und darauf warten, dass Bruno Kreisky wiederkommt“.

Kapitalismus, der wie Religion funktioniert?

Vielleicht muss man ja bis in die Frühzeit der Menschheit zurückgehen, um die Zusammenhänge zwischen Religion, Politik und Wirtschaft zu verstehen. Ob es steinzeitliche Priester waren, die zuerst darauf kamen, nicht mehr MENSCHEN zu opfern, sondern stattdessen die Menschen dazu zu bringen, all ihre HABE zu opfern – für den Erwerb gewisser materieller Kultgegenstände?

Der Kapitalismus als neue Religion also? Warum dann eigentlich nicht am Ende die Erde ganz an die Industrie verramschen? – „Nigeria ginge an Shell, Syrien an die Waffenindustrie“. Und auch die Kriege würden dann privatisiert, statt 3. Weltkrieg hieße es dann: „Goldman Sachs gegen Chinas Zentralbank“.

Noch aber sind es die Politiker, die die Waffen anschaffen, wie zum Beispiel den Eurofighter. Österreich kaufte seinerzeit 15 Maschinen, dabei profitierten gleichzeitig zahlreiche Firmen von sogenannten „Gegengeschäften“ (Aufträge, für die indirekt die österreichischen Steuerzahler sorgten). Die fröhliche Unverschämtheit, mit der dort teilweise Geld für faktisch Wertloses verlangt wurde, erinnert Scheuba an den alten Kellnerwitz: „Der Gast kontrolliert die Rechnung und will wissen, was der unter den Einträgen für Suppe, Schnitzel und Weinschorle angeführte Rechnungsposten: ‚Geht’s? – 10 Euro’ bedeuten soll. Daraufhin nimmt der Ober die Rechnung wieder an sich, streicht die 10 Euro durch und kommentiert dies lapidar mit: ‚Na, dann geht’s halt nicht.’“

Aber trotz allem bleibt der Mensch auf der Suche nach dem Sinn des Ganzen. Doch auch dieses Bedürfnis ließe sich sicher kommerzialisieren. Warum statt „Lebensversicherungen“ nicht verschiedene Formen des geglückten Lebens verkaufen: Das „lange Leben“ zum Beispiel („wobei gegen Ende mit gewissen Qualitätseinbußen zu rechnen ist“), das „nackte Überleben“ („DER Schlager in der Dritten Welt“) oder, besser noch, das „erfüllte Leben“ („hier allerdings ist ein Rechtsstreit bis zum Jüngsten Gericht nicht ausgeschlossen“). Am attraktivsten wohl: Das „Leben nach dem Tod“ („leider gibt es aber gerade dafür keine Garantie“).

Richard III. als Vorbild?

Gegen Ende können sich Scheuba und Palfra aus aktuellem Anlass einen schroffen Seitenhieb auf den türkischen Präsidenten Erdoğan und seine regierende AKP nicht verkneifen. Dieser sei zuzutrauen, angesichts des bevorstehenden Verfassungs-Referendums das Wort „Nein“ am Ende ganz aus dem öffentlichen Gebrauch zu verbannen. Zu diesem Zweck würden dann wahrscheinlich Wasserrechnungen mit der Aufschrift „Nein zur Wasserverschwendung“ eingestampft und dem größten türkischen Pay-TV-Sender die Ausstrahlung des Filmes „No“ untersagt.

Ob demnächst weitere Sprachregelungen drohen? Wie zum Beispiel diese: „Verfassung: Kleingeistiges Sammelsurium von Hindernissen, die es dem Staatspräsidenten erschweren sollen, das Richtige zu tun. Gefängnis: Schutzzone für an der Großartigkeit des Staatspräsidenten Zweifelnde, wo sie in Ruhe über ihren Irrtum nachdenken können. Todesstrafe: Humanitäre Maßnahme, um das Raumangebot der Schutzzone zu verbessern.“

DAS Vorbild für viele Übeltäter könnte nach Ansicht von Scheuba jedoch der englische König Richard III. sein. „Wieso gerade Richard III.?“, fragt Palfrader zurück, „der ist doch schon tot?“ – „Ja eben, gerade deshalb!“, entgegnet Scheuba trocken.

Eins ist jedenfalls nach diesem Abend klar: Politisches Kabarett ist, jenseits von allerlei Comedy, Quatsch und Nonsens, offenbar höchst lebendig, immer noch, zumindest in Österreich!

Bericht und Fotos: Friedhelm Tromm

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