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Historische Wahlen im demokratischen Kongo: Wer folgt Kabila?

Knapp 39 Millionen Bürger waren in der Demoratischen Republik Kongo, der ehemaligs belgischen Kolonie, mit mehr als zweijähriger Verspätung zur Wahl eines Nachfolgers von Präsident Joseph Kabila aufgerufen, der nicht mrhr wiedergewählt werden kann. Dessen Partei stellte den früheren Innenminister Emmanuel Ramazani Shadary als Kandidaten auf. Reale Chancen haben neben ihm die Oppositionskandidaten Felix Tshisekedi und Martin Fayulu.

Abgestimmt wurde zudem über ein neues Parlament und neue Provinzregierungen. Shadary hatte sich bereits als Sieger bezeichnet, als die Stimmenauszählung begann. Die Präsidentschaftswahl in der Demokratischen Republik Kongo sollte ursprünglich am 27. November 2016 stattfinden. Die Wahl wurde aber auf  den 23. Dezember 2018 verschoben. Es werden vereinzelte Unregelmäßigkeiten gemeldet, aber keine übergreifenden Unruhen.

Michael Ruoff
gibt einen Überblick über Land und Leute.

Belgisch-Kongo machte nach dem 2. Weltkrieg den Eindruck eines vollkommen stabilen Gebildes, und die europäischen Kolonisten, sowohl die Franzosen West- und Äquatorialafrikas als auch die Briten Rhodesiens, stellten mit Vorliebe den belgischen Kolonialismus als Musterbeispiel hin. Eine paternalistische Verwaltung sorgte dafür, daß nach Möglichkeit niemand Hunger zu leiden hatte, aber auch, daß sich niemand um Politik kümmerte.

Der belgische Kongo war wohlhabend und erfreute sich der Ruhe und Ordnung. Kaum 80.000 Europäer, hauptsächlich Beamte und Angestellte, bewohnten neben 14 Millionen Bantu eine Fläche von nicht ganz 2,5 Millionen qkm. Die vor allem in Katanga konzentrierte Bergbauindustrie exportierte Metalle, Uran (damals die Hälfte der Weltproduktion) und Diamanten für jährlich fast eine Milliarde Pfund Sterling.

Die Machtträger

Die Verwaltung zählte ungefähr 10.000 Beamte, darunter nur ein paar hundert Afrikaner. In der gesamten Armee, der sogenannten Force Publique, gab es keinen einzigen afrikanischen Offizier. Die drei Machtträger im Kongo waren die belgische Verwaltung, die fünf großen Bergbau-Trusts und die katholische Kirche. Sie schienen das öffentliche Leben völlig zu beherrschen.

1952 hatte das belgische Kolonialministerium das Immatrikulationsprinzip eingeführt, das einem gebildeten Afrikaner ermöglichte, nachdem er den Beweis seiner Fähigkeiten und seines Bildungsgrades abgelegt hatte, die Rechte eines belgischen Bürgers zu erlangen und den Segregationsbestimmungen zu entgehen. Aber nur wenige Afrikaner nutzten diese Möglichkeıt, nicht nur, weil sie darin einen Verrat an ihrer Rasse sahen, sondern auch wegen der Weigerung der belgischen Kolonisten, die immatrikulierten Afrikaner als Ihresgleichen zu betrachten.

1954 führte die belgische Regierung nichtkonfessionelle Schulen für Afrikaner ein. Ein Professor der Universität Antwerpen, der liberale Katholik A.A.J. van Bilsen, rief 1956 eine Sensation hervor, als er einen “Dreißigjahresplan für die politische Emanzipation Belgisch-Afrikas” veröffentlichte.

Joseph Kasavubu

Am unteren Flußlauf des Kongo war inzwischen eine politische Bewegung entstanden, die Abako oder ‘Association des Bakongo’. Ihr Führer war Joseph Kasavubu, der Sohn eines chinesischen Arbeiters und einer Bakongofrau. Er wurde in katholischen Schulen erzogen und später in einem Stadtteil von Leopoldville Bürgermeister. Bakongo lebten allerdings auch jenseits des Flusses im französischen Mittleren Kongo, und diese erhielten gerade die Autonomie als Zwischenstufe zur Unabhängigkeit.

Als Kasavubu an der ersten panafrikanischen ‘Konferenz von Accra’ im Dezember 1958 teilnehmen wollte, erhielten drei andere Kongolesen, darunter der junge Postbeamte Patrice Lumumba, die Erlaubnis zur Teilnahme und im letzten Augenblick wurde Kasavubu an der Abreise gehindert. So übernahm Lumumba die Delegationsleitung. Eine Woche nach seiner Rückkehr aus Accra brachen in Leopoldville (heute: Kinshasa) Unruhen aus, wobei einige Europäer und eine Anzahl Afrikaner getötet wurden. Kasavubu wurde verhaftet und nach Belgien deportiert.

Unabhängigkeit und Wahlen

Kurz darauf kündigte König Baudouin eine Änderung der belgischen Politik an. Den kongolesichen Bürgern wurde die Unabhängigkeit – es war das erste Mal, daß eine offizielle Persönlichkeit dieses Wort aussprach – mit einigen Zwischenstufen versprochen.

Diese Etappen sollten für 1959 in Wahlen, 1960 in der Bildung eines Parlamentes und in der Berufung von Afrikanern auf hohe Verwaltungsposten bestehen. Da die Reformen diesem Versprechen nur zögernd folgten, erhitzte sich das politische Klima stark und führte zu einem neuen Aufflackern politischer Agitation.

Kasavubu wurde nach einem dreimonatigen Zwangsaufenthalt in Belgien wieder in den Kongo zurückgeschickt. Die afrikanısche Opposition war in sich selbst jedoch stark gespalten. Lumumba wünschte, die Einheit des Kongo beizubehalten während Kasavubu eine der nigerianischen Föderation analoge Lösung vorzog. In Katanga vertrat Moise Tschombé die städtische Bevölkerung und die ‘Evolués’. In Süd-Kasai repräsentierte Albert Kalonji die Baluba, und in der Äquatorialprovinz vertrat Ileo dıe Bangala. Man darf dabei nicht vergessen, daß das unermeßliche Gebiet des Kongo über 70 wichtige ethnische Gruppen aufweist, die mehr als 400 Dialekte sprechen.

Da sich im Kongo die Gemüter immer mehr erhitzten, lud die belgische Regierung im Januar 1960 die afrikanischen Führer nach Brüssel ein und entschloß sich, dem Kongo zum 30. Juni die Unabhängigkeit zu gewähren. In dem noch zur Verfügung stehenden halben Jahr sollten die notwendigen Vorbereitungen für den Übergang zur Unabhängigkeit getroffen werden. Im Mai wurden dann Wahlen durchgeführt, ein Parlament und eine Regierung gebildet und am 30. Juni die Republik Kongo proklamiert. Als Führer der Regierung bestimmte Lumumba mit Unterstützung von Kasavubu und Ileo die Mitglieder seines Kabinetts. Tschombé erhielt dabei ein Ministerium, Kalonji keines.

Die Rebellion der Soldaten der Force Publique gegen die belgischen Offiziere

Schon sechs Tage nach der Unabhängigkeitsfeier kam es zur Explosion. Die afrikanischen Soldaten der Force Publique rebellierten gegen ihre europäischen Offiziere. Diese Meuterei war das Signal nicht nur für eine Panik unter den Europäern, sondern auch für die Entfesselung von Gewalt und Anarchie. Um ihre Landsleute zu schützen, entsandten die Belgier Fallschirmjägertruppen aus dem Mutterland in den Kongo. Lumumba bezichtigte sie der kolonialistischen Aggression und brach die diplomatischen Beziehungen zu Belgien ab. Auf Nkrumahs Rat appellierte er an die UNO. Tschombé profitierte seinerseits von den Unruhen und verkündete die Unabhängigkeit Katangas. Die Stammesfehden flammten erneut auf.

Die Streitkräfte der Vereinten Nationen hatten den Auftrag, die Ordnung soweit wie möglich aufrecht zu erhalten, um vor allem den Belgiern keinen Vorwand zu liefern, im Kongo wieder militärisch einzugreifen. Lumumba erwartete von den UNO-Truppen allerdings mehr. Er forderte sie auf, die Sezession Katangas niederzuschlagen. Es war aber offensichtlich, daß der Kongo ohne die Stütze der katangischen Wirtschaft immer ein armes Land bleiben würde. Ebenso augenscheinlich war es, daß die immer noch in Katanga ansässigen belgischen Bergbaugesellschaften die Sezession unterstützten.

Da Lumumba überall nach Unterstützung Umschau hielt, nahm er auch sowjetische Hilfe an. Eine Zeitlang befürchteten die Westmächte, die Russen könnten sich im ehemals belgischen Kongo niederlassen, wie man zur selben Zeit auch befürchtete, sie würden sich auf Kuba festsetzen. In seiner Eigenschaft als Staatspräsident berief Kasavubu Lumumba von seinem Amt ab. Dieser aber parierte den Streich, indem er seinerseits Kasavubu absetzte. Darauf entschloß sich die nun ausschließlich aus Afrikanern bestehende Force Publíque, der allgemeinen Verwirrung ein Ende zu setzen und alle Beteiligten – Kasavubu, Lumumba und andere Politiker – zu verhaften.

15 Kongolesen mit Hochschulbildung

Oberst Mobutu setzte ein Kollegium von Hochkommissaren eın, das alle Kongolesen mit abgeschlossener Hochschulbildung umfaßte. Es gab ihrer fünfzehn. Die Mitglieder der sowjetischen und tschechischen Missionen verwies er des Landes. Der aus seiner Haft entlassene Kasavubu verbündete sich mit Mobutu, während der immer noch eingesperrte Lumumba an Katanga ausgeliefert und ermordet wurde.

Die im Kongo entfesselte Hysterie verbreitete sich bald über die ganze Welt. In einem halben Dutzend Hauptstädten wurden die belgischen Botschaften von der Masse angegriffen. Chruschtschow beschuldigte den Genenalsekretär der UNO, Dag Hammarskjöld, der Ermordung Lumambas. Im Frühjahr 1961 zerschellte Dag Hammarskjölds Flugzeug in Nordrhodesien, gerade als er mit Tschombé über die Rückkehr Katangas in einen föderalistischen Kongo verhandelte.

Eine Zeitlang hätte man befürchten können, daß der Kongo zu einem Schlachtfeld der Auseinandersetzung zwischen Ost und West werden könne. Man mußte auch befürchten, und nur zu oft hatte man Anlaß dazu, daß im Kongo – und nicht nur da, sondern an manchen Stellen Afrikas, so z.B. im Sudan, in Uganda, selbst in Nigeria – alte Stammesfehden wieder aufflackern würden und die neue politische Freiheit die Tür zu Massenmorden und Anarchie öffne. Damit wurde dann eine neue Phase der Geschichte Afrikas eingeleitet.

Demokratie und Stammesführer

Und heute? Afrika ist voller Unruhen, auch zwei Generationen nachdem dort eine bisher unbekannte Demokratie zugelassen wurde. In manchen demokratischen Parlamenten herrschen dort immer noch Stammesführer mit ihren ihre Fehden und Regionalkriege. Die Demokratische Republik Kongo versucht es erneut – am 7. Januar sollern die vorläufigen Wahlergebnisse bekannt gegeben werden.

Michael Ruoff

2 Comments

  1. Pierre Chavet

    Il faut reconnaître que Mobutu, dès ses débuts en tant que chef suprême de l’armée du Congo fraîchement devenu indépendant, a été manipulé par les puissances occidentales de l’époque ce qui fait que Lumumba fût assassiné au Katanga. Sans cet assassinat le pays aurait probablement connu un autre parcours et un tout autre destin !

    Le Congo a été et est encore toujours victime des richesses de son sous-sol. Les matières premières congolaises comme l’uranium, le cuivre, le diamant et l’or ont plus contribué jusqu’à ce jour à la prospérité d’autres qu’aux congolais eux-mêmes.

    Aujourd’hui, on y fait, à cause du coltan et du cobalt, la guerre par le truchement des rwandais . Doit-on faire la guerre pour voler les richesses d’un pays au lieu de négocier en des termes commerciaux de type “win – win” avec les congolais dans la paix?

    Pourquoi le fait de posséder du coltan dans son sous-sol doit devenir la source d’instabilité politique ?

    Nous assistons à un génocide honteux en ces temps modernes.

    Les congolais ont compris qu’ils doivent eux-mêmes se débarrasser de l’ennemi du peuple qui, aujourd’hui, est bien identifié, afin de retrouver la paix et la joie de vivre paisiblement et librement comme toutes les autres nations sur cette terre des hommes.

    Le peuple congolais semble avoir finalement pris conscience de sa situation et est en train de chercher les voies et moyens pour s’en sortir à tout prix.

    Tous les congolais attendent la proclamation des résultats des dernières élections et espèrent que ces résultats refléteront la vérité des urnes.

    Ce mois de janvier 2019 entrera certainement dans l’histoire du Congo-Kinshasa.

  2. Alfons van Compernolle

    Ich kenne den Kongo nun durch versch. Besuche (Arbeit) seit 40 Jahren. War zuletzt 1998 dort.
    Dieses Land als “Demokratisch” zu bezeichnen ist eine Beleidigung fuer jegliche Demokratische Gesellchaft. Der Kongo ist eine “Mord.-& Totschlagkratie” beherrscht von Macht & Geldgeilen verbrecherischen Politikern. Wobei wir nicht nur in Europa, diese dortigen Zustaende ignorieren, denn der Kongo besitzt derart viele dringend von uns benoetigte Rohstoffe, dass ein Ausfall des Rohstoffexports unsere Wirtschaft / Wohlstand unmittelbar in Mitleidenschaft ziehen
    wuerde !! Wir dulden diese dortigen “Mord & Totschlagausueferungen” um unseren Wohlstand nicht zu gefaehrden !! Wir sind an die dortigen Zustaende nicht unschuldig!

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