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Flanderns Nationalisten machen gegen den belgischen Atomkraftausstieg mobil

Von Michael Stabenow.

Eigentlich steht die Schließung aller sieben Reaktoren der belgischen Kernkraftwerke in Doel bei Antwerpen und Tihange an der Maas im Jahr 2025 fest. Im Herbst soll die Föderalregierung noch klären, ob die Versorgungssicherheit des Landes mit Energiequellen auch bei Schließung der weniger veralteten Reaktoren Doel 4 und Tihange 3 garantiert ist.

Es ist eigentlich eine Routineangelegenheit, zumal auch der Betreiber Engie-Electrabel keine Möglichkeit sieht, die beiden Reaktoren länger offenzuhalten. Wie berichtet (https://belgieninfo.net/laufzeitverlaengerung-bei-belgischen-atommeilern-vom-tisch/), hat ihr Vorstandsvorsitzender Thierry Saegemann bei einer Anhörung im Parlament erklärt: „Wir stellen uns die Frage nicht mehr. Wir sehen nicht, wie es möglich sein soll, die Meiler über den Winter 2025 hinaus in Betrieb zu halten. Wir haben das Kapitel abgeschlossen.“

Nicht mit dem Ausstieg aus der Kernenergie abfinden will sich indes die oppositionelle Neu-Flämische Allianz (N-VA). Sie scheint die ihr zur Verfügung stehenden politischen Hebel in Bewegung zu setzen, um die Stilllegung der beiden Reaktoren zu verhindern. Die Föderalregierung setzt darauf, die durch die Schließung aller Kernreaktoren erwarteten Ausfälle bei der Stromerzeugung durch den Bau von zwei bis drei Gaskraftwerken wettzumachen. Eines davon soll in Vilvoorde entstehen.

Das maßgeblich durch die N-VA bestückte „Provinzkollegium“ („deputatie“), das politische Führungsgremium der Provinz Flämisch-Brabant, verweigerte dem Vorhaben jetzt seine Zustimmung. Das war insofern überraschend, als die für die Prüfung der Umweltfolgen zuständige Ausschuss der Provinz (POVC) als auch die betroffenen Gemeinden mit Ausnahme von Grimbergen, einer westlichen Nachbarort von Vilvoorde, keine grundlegenden Bedenken gegen das Vorhaben geäußert hatten.

Offiziell begründet wird die Ablehnung des Gaskraftwerks mit dem als zu hoch empfundenen Ausstoß von Kohlendioxyd und Stickstoff in der ohnehin durch den nahegelegenen Brüsseler Autobahnring und den Flughafen durch Schadstoffe belasteten Stadt Vilvoorde. Umstritten ist jedoch, wie die Bewertung des Gremiums zustande gekommen ist.

Für die grüne belgische Energieministerin Tinne Van der Straeten ist es offenkundig, dass es der N-VA keineswegs allein um das Gaskraftwerk in Vilvoorde geht. Auf Twitter erklärte sie am Montag: „Jedes Investitionsdossier muss für sich selbst beurteilt werden, nicht auf der Grundlage einer politischen Meinung.“ Und sie fügte hinzu: „Die Regeln sind die Regeln, die vorab feststehen und die korrekt angewendet werden müssen.“ Ziel müsse es sein, erneuerbaren Energiequellen Auftrieb zu verleihen.

Die flämische Umweltministerin Zuhal Demir (N-VA), die als Befürworterin verlängerter Laufzeiten der Reaktoren gilt, wertete auf Facebook die Äußerungen Van der Straetens als Anzeichen für ein Einlenken der Grünen in der Auseinandersetzung. Was jeder bereits wisse, dämmere auch den Grünen und der Ministerin. „Kein vollständiger Kernausstieg im Jahr 2025. Ich bin froh, dass sie die Kurve nimmt. Schade, dass dies mit ungerechtfertigte Beschuldigungen sein muss“, erklärte Demir – nach einer Beilegung des Streits klang das nicht.

Kurz nachdem das abschlägige Votum der Brabanter Provinzpolitiker publik wurde, stimmte N-VA Parteichef Bart De Wever per Twitter einen neuerlichen Lobgesang auf die Atomenergie an. Es sei genug Zeit und Geld vergeudet worden mit der Auseinandersetzung. „Lasst uns den Kernausstieg abschaffen und voll auf eine nachhaltige, zuverlässige und bezahlbare Energiepolitik mit Kernenergie setzen“, forderte De Wever.

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