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Belgische Regierung – drei Könige und ein sozialistischer Prinz

Von Michael Stabenow.

Belgien, das nunmehr seit mehr als 400 Tagen auf eine Regierungsbildung wartet, ist um ein politisches Spektakel reicher. Man könnte es als die Geschichte von den drei Königen und dem sozialistischen Prinzen bezeichnen. Es geht um das waghalsige Vorhaben, ein Regierungsbündnis zu schmieden, das neben den drei Parteien des aktuellen Minderheitskabinetts der liberalen französischsprachigen Premierministerin Sophie Wilmès – flämische Christliche Demokraten (CD&V) sowie Liberale beider Landesteile (Open VLD und MR) – drei weitere Koalitionspartner umfassen würde: die flämisch-nationalistische Neu-Flämische Allianz (N-VA), die kleine französischsprachige CD&V-Schwesterpartei CDH sowie die flämischen Sozialisten (SP.A).

Waghalsig wirkt das Unterfangen, da dieses, von den belgischen Medien „Arizona-Koalition“ genannte Bündnis, gerade einmal auf 76 von 150 Sitzen im Parlament kommt. Also nur eine hauchdünne Mehrheit von einer Stimme hätte. So sehr es für fünf der sechs Parteien reizvoll ist, eine Koalition ohne die französischsprachigen Sozialisten (PS) zu bilden, so riskant erscheint das Vorhaben für die seit November vom jungen Vorsitzenden Conner Rousseau geführten flämischen Sozialisten von der SP.A.

Mit den „drei Königen“, d.h. den anderen relevanten Parteivorsitzenden, Joachim Coens (CD&V), Egbert Lachaert (Open VLD) und Georges-Louis Bouchez, lag Rousseau zuletzt schon über Kreuz. Der 27 Jahre alte Sozialist beteuert, es gehe ihm um Inhalte. Mit seinen „linken“ Forderungen nach höheren Mindesteinkommen und Renten, erheblich verstärkten Investitionen in das Gesundheitswesen sowie  einer „Reichensteuer“ hat er die Messlatte jedoch hoch gelegt. Rousseau will zudem unbedingt den Eindruck vermeiden, er lasse die große Schwesterpartei aus dem Süden des Landes sowie die gemeinsamen Überzeugungen einfach fallen. Und er will auch nicht Gefahr laufen, mit seiner Partei zum bloßen Anhängsel einer bürgerlichen Koalition zu verkommen.

Am vergangenen Donnerstag kam es zu einem ersten offiziellen Gespräch der „drei Könige“ mit Rousseau. Dass über den Verlauf des Treffens des Quartetts wenig an die Öffentlichkeit drang, ist zwar ungewöhnlich, da insbesondere Bouchez und Rousseau in den sozialen Medien sonst sehr präsent sind. Das Stillschweigen muss aber nicht heißen, dass die Gespräche deswegen auf gutem Wege sind. Auch nach etlichen Anläufen, seit der Parlamentswahl im Mai 2019, ist ein abermaliges Scheitern der Bemühungen um die Regierungsbildung keineswegs ausgeschlossen. Daher dürfte sich auch erneut die Frage stellen, wer für einen weiteren Fehlschlag die Hauptverantwortung trüge. Die Geschichte von den drei Königen und dem sozialistischen Prinzen liefe so eher auf das Spiel mit dem Schwarzen Peter hinaus.

Daran beteiligt sein könnte auch ein Akteur, der sich zuletzt auffallend still verhalten hat: der Antwerpener Bürgermeister und N-VA-Parteichef Bart De Wever. Er hat in den vergangenen Monaten erkennen lassen, dass seine Partei, die Ende 2018 wegen des Streits um den Migrationspakt der Vereinten Nationen die belgische Regierung verließ, an einer Rückkehr an die Schalthebel der Macht in Brüssel durchaus Interesse hätte. De Wevers Schweigen könnte damit zusammenhängen, dass der gewiefte Taktiker zunächst Handel und Wandel des Quartetts Bouchez, Coens, Lachaert und Rousseau abwarten möchte.

Gemessen am ausgefuchsten De Wever, seit 16 Jahren N-VA-Vorsitzender, sind Bouchez, Lachaert, Rousseau und selbst der im September 54 Jahre alt werdende Coens politische Jungspunde. Eine nicht nur in Belgien gesammelte Erfahrung scheint sich dieser Tage zu bestätigen. „Das Personal mag neu sein, doch die alten Probleme bleiben.”

Belgieninfo stellt die vier neuen Parteivorsitzenden im Porträt vor.

Teil 1 der Serie: Joachim Coens , CD&V

Teil 2: Georges-Louis Bouchez, MR

Teil 3: Egbert Lachaert, Open VLD

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