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Belgien verschärft abermals Corona-Beschränkungen

Von Michael Stabenow.

Die zunehmende Belastung des Gesundheitswesens durch die schwindelerregend hohe Anzahl von Corona-Infektionen zwingt Belgien abermals zu schärferen Beschränkungen. Bei ihrem vierten Treffen innerhalb von gut fünf Wochen haben Spitzenvertreter von Föderal- und Regionalregierungen am Freitag insbesondere beschlossen, das Mindestalter für das obligatorische Tragen von Masken von zehn auf sechs Jahre abzusenken sowie größere Veranstaltungen nur unter strikten Auflagen zu erlauben.

Im Gegensatz zu den Empfehlungen des vorwiegend aus Wissenschaftlern zusammengesetzten Beratungsgremiums (GEMS) sah der sogenannte Konzertierungsausschuss davon ab, umgehend Kindergärten und Grundschulen für zehn Tage zu schließen sowie die Öffnungszeiten von Gaststätten weiter einzuschränken. Premierminister Alexander De Croo begründete die neuerlichen Einschnitte mit den schwerwiegenden Folgen der aktuellen und heftiger als erwartet verlaufenden vierten Corona-Welle. Auf den Intensivstationen des Landes lägen inzwischen mehr als 800 Corona-Patienten.

Der Infektionszug darf nicht in dem Tempo weiterrollen“, sagte De Croo. Obwohl sich der Anstieg der Infektionen inzwischen verlangsamt und Fachleute hoffen, dass die Zahlen demnächst sinken werden, zählt Belgien mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 1100 Fällen je 100000 Einwohner derzeit zu den am stärksten betroffenen europäischen Ländern. Der Regierungschef verwies jedoch auf einen „Lichtblick“: Die Zahl der Toten liege in Belgien – gemessen an der Einwohnerzahl – niedriger als in anderen Ländern mit hoher Inzidenz.

So starben in der vergangenen Woche in Belgien durchschnittlich täglich 44 Menschen an den Folgen einer Corona-Infektion. In Deutschland, das rund siebenmal so viel Bewohner wie Belgien zählt, wurden zum Beispiel bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 441,2 zuletzt 390 Todesfälle an einem Tag vermeldet. De Croo führte die vergleichsweise gute Bilanz Belgiens auf die hohe Impfrate zurück. 75,5 Prozent der 11,6 Millionen Einwohner gelten als vollständig geimpft. Rund 1,7 Millionen Menschen – rund 15 Prozent – haben inzwischen eine „Booster“-Impfung erhalten. In Deutschland sind dagegen trotz der jüngsten Anstrengungen erst 69 Prozent der Gesamtbevölkerung geimpft.

Obwohl die Verbreitung des Virus in jüngeren Jahrgängen die Inzidenz deutlich nach oben getrieben hat, sperrte sich insbesondere der flämische Unterrichtsminister Ben Weyts gegen die von Experten geforderte umgehende Schließung der Grundschulen und Kindergärten. Da auch die Vertreter der französischsprachigen Regionalregierungen vor einschneidenden Maßnahmen in den Schulen zurückschreckten, einigte sich die Runde auf einen Kompromiss: die Weihnachtsferien für Kinder bis zum sechsten Grundschuljahr sollen eine Woche früher als geplant – bereits am 18. Dezember – beginnen. Außer der erweiterten Maskenpflicht (nun ab sechs Jahren) gilt künftig ferner, dass Schüler sich in Quarantäne begeben müssen, sobald in ihrer Klasse zwei Corona-Infektionen festgestellt worden sind. Außerdem muss es in jeder Schulklasse ein Messgerät für die Konzentration von Kohlendioxyd geben.

Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke, der auch am Freitag für deutlich schärfere Einschnitte geworben hatte, zeigte sich nach den Beratungen enttäuscht. Es sei nicht gelungen, dort konsequent anzusetzen, wo viele Infektionen ihren Ausgangspunkt hätten: in den Schulen.

Der führende Virologe Marc Van Ranst äußerte sich überrascht darüber, dass Gaststätten weiter bis 23 Uhr geöffnet bleiben dürfen und nicht, wie vom Expertengremium GEMS angeregt, um 20 Uhr schließen müssen. „Das kann gut gehen. Lassen wir es hoffen. Aber mit Hoffnungen bekämpft man keine Pandemie“, sagte Van Ranst.

Weniger umstritten waren offenbar am Freitag die Entscheidungen der Ministerrunde, die Teilnehmerzahl bei Veranstaltungen in Innenräumen auf 200 zu begrenzen sowie bei mehr als 50 Teilnehmern einen Corona-Pass vorzuschreiben. In Kinos gilt künftig neben der Maskenpflicht auch ein Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen den Besuchern.

Sonderregelungen gelten weiter für Hochzeiten und Trauerfeiern. Eine zuletzt ebenfalls zur Diskussion gestellte Begrenzung der Anzahl der Menschen, die zuhause empfangen werden dürfen, wird es – zumindest bis auf weiteres – nicht geben. Es wird jedoch „dringend empfohlen“, die Anzahl der Kontakte möglichst zu begrenzen und sich vorzugsweise im Freien zu treffen. Zudem wird zu den nun auch in Supermärkten erhältlichen Selbstests geraten. Der Konzertierungsausschuss soll am 20. Dezember ein weiteres Mal zusammentreten – nach jetziger Planung…

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