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Belgien schneidet in der Energie-Union im EU-Vergleich nicht gut ab

Von Rainer Lütkehus.

Früher nannte man es Energie-Binnenmarkt, seit vier Jahren nennt man es „Energieunion“. Dasselbe ist es aber nicht. Die EU-Energieunion, zu der Belgien gehört, soll mehr sein als ein Binnenmarkt für Strom und Gas und beschränkt sich nicht nur auf die EU-28, sondern schließt Norwegen und die Schweiz ein. Im Vordergrund steht die Bekämpfung des Klimawandels.

Mit der Energieunion soll die EU die Energiewende schaffen, d.h. CO2-arm werden, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. So sollen fossile Energiequellen durch erneuerbare Energien (Wind, Sonne, Biomasse) ersetzt, gleichzeitig Energie gespart und der europäische Stromverbund enger werden. Für 2020 sind die Ziele bereits abgesteckt und EU-Vorschriften in Kraft: Ein verbindliches Ziel von 20 Prozent für den Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen am Gesamtenergieverbrauch in der Gemeinschaft und ein von allen Mitgliedstaaten zu erreichendes verbindliches Unterziel von 10 Prozent von Erneuerbaren (Biokraftstoffe, Ökostrom) am Kraftstoffverbrauch im Verkehr, 20 Prozent weniger Treibhausgasemissionen und 20 Prozent weniger Energieverbrauch als 1990. Das gilt EU-weit; aber es gibt auch national verbindliche Ziele. So soll Belgien bis 2020 einen Anteil der Erneuerbaren am Energieverbrauch von 13 Prozent erreichen und die Gebäude und Autos auf seinem Territorium sollen 15 Prozent weniger CO2 ausstoßen als 2005. Ist das Königreich auf gutem Weg?

Wie dem dritten Zwischenbericht der Energie-Kommission zur Energie-Union zu entnehmen ist, schneidet Belgien in vielen Bereichen nicht so gut ab, wie die EU im Durchschnitt. Zwar spielt die klimaschädliche Kohle im Königreich keine große Rolle, dafür aber das ebenfalls klimaschädliche Mineralöl und Erneuerbare sind unterdurchschnittlich vertreten. Letztere wüchsen zwar schneller als im EU-Durchschnitt, erreichten 2015 aber nur einen Anteil von 6,9 Prozent am Energie-Mix. Der EU-Durchschnitt liegt bei 13 Prozent. Das bedeutet, dass sich Belgien hier noch sehr anstrengen muss, um sein Ziel für 2020 von 13 Prozent der Erneuerbaren am Energie-Mix zu erreichen.

Zu viele CO2-Emissionen auf Belgiens Straßen

Auch stoße das Königreich noch zu viel CO2 aus. Während der CO2-Ausstoß im EU-Durchschnitt im Zeitraum 1990-2016 um 22,6 Prozent zurückging, sank er im Königreich nur um 17,7 Prozent. Belgien werde den CO2-Ausstoß seiner Gebäude, seines Straßenverkehrs und seiner Landwirtschaft bis 2020 nur um 11,5 Prozent reduzieren können und damit sein national verbindliches Ziel von 15 Prozent verfehlen, heißt es in dem Bericht.

In Belgien waren 2015 der Transport zu rund 23 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich (EU-Durchschnitt 21 Prozent), der Gebäudebereich zu rund 19 Prozent (EU 13 Prozent) und die Landwirtschaft zu rund 10 Prozent (EU 12 Prozent). Besonders schlecht sieht die Entwicklung im Straßenverkehr aus. Hier lagen die CO2-Emissionen 2015 um 31 Prozent gegenüber 1990. Der Anteil der Autos mit Hybrid- oder Elektroantrieb an den Neuzulassungen betrug 2015 gerade einmal 0,77 Prozent.

Dem Bericht sind aber auch positive Entwicklungen in Belgien zu entnehmen, mit denen das Land zur Energie-Union beiträgt. Das betrifft insbesondere die Strom- und Gas-Infrastruktur und den Wettbewerb im Gas- und Stromhandel. So sei die Unternehmenskonzentration im Großhandel von Gas und Strom viel geringer als im EU-Durchschnitt, mit Folgen für die Preise. So kostete 2016 die Megawattstunde Gas in Belgien im Großhandel nur 14 Euro (EU-Durchschnitt 15 Euro) und die von Strom 36,80 Euro (EU-Durchschnitt 38,70).

In Belgien profitiert der Strom-Endverbraucher nicht vom hohen Wettbewerb

Relativ groß sei der Wettbewerb auch im belgischen Gas- und Stromeinzelhandel. Ein Indiz dafür ist die Wechselrate der Privathaushalte. 2015 wechselten 15,8 Prozent der belgischen Haushalte ihren Gasanbieter und 12,2 Prozent ihren Stromanbieter, im Vergleich zu 7 Prozent bzw. 6,2 Prozent im EU-Durchschnitt. Von dem Wettbewerb hat der belgische Stromendverbraucher allerdings wenig. Denn er zahlte für die Kilowattstunde 2016 27,50 Cent; im EU-Durchschnitt lag der Preis bei 20,50 Cent. Das läge an den hohen Abgaben und Netzgebühren der kommunalen Verteilungsnetzbetreiber, die seit 2015 der Körperschaftssteuer unterliegen und diese einpreisen. Bei Gas sieht es jedoch anders aus. Hier zahlten die Belgier 2016 nur 5,3 Cent pro Kilowattstunde im Vergleich zu 6,7 Cent im EU-Durchschnitt. Der Anteil der Steuern und Abgaben am Gasendverbraucherpreis ist mit 23,4 Prozent niedriger als im EU-Durchschnitt (26,7 Prozent).

Vorbildlich bei der Energie-Infrastruktur

Sehr gut vernetzt ist Belgien mit seinen Nachbarländern. Das ist wichtig für die Solidarität bei der Gewährung der grenzüberschreitenden Versorgungssicherheit, der ein Aspekt der Energieunion ist. 2017 hatte das Land hatte einen Verbundgrad von 17 Prozent seiner vorhandenen Stromerzeugungskapazität mit seinen Nachbarländern (außer Deutschland). Seit 2002 gibt es ein unverbindliches Strom-Verbundziel für alle EU-Mitgliedstaaten. Bis 2020 soll in jedem Mitgliedstaat die Kapazität der grenzüberschreitenden Stromverbindungsleitungen („Interkonnektoren) zu anderen Mitgliedstaaten mindestens 10 Prozent der heimischen Stromerzeugungskapazität („Verbundgrad“) betragen. Aber die meisten EU-Mitgliedstaaten, vor allem die neuen, dürften das Ziel verfehlen. Deutschland hatte 2017 nur 8,9 Prozent erreicht, so die die Berechnung der EU-Kommission.

Mit der neuen 100 Kilometer langen Stromverbindung zwischen Deutschland und Belgien, ALEGrO (Aachen Liege Electric Grid Overlay), die über Ostbelgien läuft und deren Bau Mitte Januar beginnt, wird Belgien noch besser vernetzt sein. Mit ALEGrO soll Belgien, das ein Nettoimporteur von Strom ist, Ökostrom aus Deutschland, insbesondere Nordrhein-Westfalen beziehen können. Wenn Belgien, wie vorgesehen 2025 aus der Atomenergie aussteigt, muss es noch mehr Strom importieren wie derzeit. Fraglich ist aber, ob es in diesem Fall wirklich Ökostrom aus Deutschland bekommt und nicht klimaschädlichen Braunkohlestrom, denn davon hat Deutschland viel mehr als Ökostrom. Laut Angaben der Statistikbehörde Eurostat betrug der Anteil der Kohle am Brutto-Inlands-Energieverbrauch 2015 in Deutschland 25 Prozent, der von Erneuerbaren 12 Prozent. Und mit dem Kohleausstieg tut sich das Nachbarland schwer, steigt es doch schon 2022 gänzlich aus der Atomenergie aus. Belgien hingegen hing 2015 nur zu 6,1 Prozent von Kohle ab. Es hat sogar vor, ganz aus der Kohle auszusteigen. Und kann es ab 2025 wirklich auf den Atomstrom verzichten, wie es die Föderalregierung in ihrem Arbeitspapier „Energiepakt 2050“ diskutiert, aber auf Widerstand des flämischen Koalitionspartners N-VA stößt? Immerhin hängen Belgiens Stromverbraucher derzeit zu 50 Prozent von den hiesigen sieben, wenn auch alten, Atommeilern ab.

Nach 2020 wird die Energie-Union noch komplizierter

Solidarität unter den Mitgliedstaaten ist ein Leitgedanke des Energie-Union-Projekts. Das Problem ist nur, dass die Mitgliedstaaten zurzeit für ihre eigene Versorgungssicherheit zuständig sein wollen. Die EU-Kommission will das bis 2030 ändern, stößt aber auf Widerstand in den Regierungen der EU-Mitgliedsländer. Die EU-Behörde hatte im November 2016 Gesetzesvorschläge unterbreitet, um die Energieunion weiter voranzutreiben. Zurzeit feilen die EU-Parlamentarier und die Diplomaten der EU-Regierungen daran und suchen Kompromisse. Bis zu den EU-Parlamentswahlen 2019 soll alles unter Dach und Fach sein.

Das Problem ist, dass es für 2030 keine national verbindlichen Klimaziele mehr geben soll, sondern nur noch EU-weite, die die EU-Mitgliedsländer in einem komplizierten Abstimmungsprozess, koordiniert durch die EU-Kommission, erreichen sollen. Skepsis ist angebracht, ob das wirklich funktionieren kann.

One Comment

  1. Alfons Van Compernolle

    Schneidet Deutschland da besser ab ??? Oder wird aus Berlin mit “geschoenten” Hochrechnungen gearbeitet ???? Die in Deutschland im Betrieb befindlichen Braunkohlekraftwerke sind hochgradige Dreckschleudern , schlimmer als unsere Kraftwerke in Belgien !!

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